Zeiten des Verlangens
Stadt herrscht kein Mangel an ausgezeichneten Restaurants.«
Er hielt ihr die Wagentür auf, und sie kletterte vorsichtig in den Mercedes, besorgt um ihre Absätze und das Kleid.
Dann ging es weiter durch die Park Avenue, doch als sich Regina gerade etwas entspannte, hielten sie schon wieder in der Fünfundsechzigsten Straße.
Der Fahrer kam um den Wagen und ließ sie vor einem schönen neoklassizistischen Gebäude heraus. »Daniel« stand in breiten Lettern über dem Eingang.
Im Speisesaal empfingen Regina sechs Meter hohe Kassettendecken, Balustraden, Bögen und Ziersäulen. Die klassizistische Architektur fand ihr Gegengewicht in modernem Mobiliar und kräftigen, neutralen Farben wie Walnuss und Cremeweiß, von dem sich die roten Esszimmerstühle abhoben. Lüster und Wandleuchten tauchten alles in ein warmes Licht, und Regina wusste, dass ihre Mutter von den Gemälden an den Wänden beeindruckt gewesen wäre. Es war sehr elegant, und Regina war froh, dass sie sich Sebastian zuliebe umgezogen hatte.
Der Oberkellner begrüßte Sebastian überschwänglich.
»Den Bellecour-Saal, Mr. Barnes«, erklärte er. Sebastian bedeutete Regina, ihm zu folgen, und sie ließen sich durch den Speisesaal führen. Wieder spürte Regina, wie man ihr nachsah, und sie musste sich ernsthaft konzentrieren, in den hohen Schuhen nicht zu stolpern. Sie kam sich vor wie Julia Roberts in Pretty Woman , aufgedonnert in ihrem roten Kleid, am Arm von Richard Gere.
Ein benommenes Glücksgefühl machte sich in ihrem Magen breit.
Der Oberkellner öffnete die Tür zu einem abgetrennten Raum, der Platz für hundert Leute bot, in dem jedoch nur ein Tisch gedeckt war. Er rückte Regina einen Stuhl zurecht, und sie setzte sich steif, während Sebastian ihr gegenüber Platz nahm.
»Wir könnten auch einfach drüben essen«, lachte sie nervös. »Hier ist sehr viel Platz.«
Der Sommelier brachte die Weinkarte, doch Sebastian sah sie kaum an.
»Wir bekommen das Degustationsmenü und halten uns an Ihre Empfehlungen«, erklärte er. Und an Regina gewandt: »Das Degustationsmenü besteht aus acht Gängen. Ich hoffe, du bist nicht in Eile.«
Regina schüttelte nur den Kopf und versuchte, nicht in Panik auszubrechen. Worüber sollten sie sich bitteschön acht Gänge lang unterhalten? Und wie gut musste eine Küche sein, dass man so viel essen konnte?
»Du siehst bezaubernd aus«, sagte er. »Das Kleid steht dir.«
»Danke.« Sie blickte in ihr Wasserglas. »Du hast die Größen wirklich richtig eingeschätzt.«
»Ich habe viel Zeit damit verbracht, Frauen zu betrachten«, sagte er. Die Bemerkung ließ sie erröten, doch dann begriff sie, dass er sicher von der Fotografie sprach.
Der Kellner erschien mit dem Amuse-Bouche. Er platzierte drei weiße Tellerchen vor jeden und erklärte: »Mosaik aus Poularde und Daikon-Rettich, Wildpilz-Gelée und jungem Gemüsesalat.«
»Danke«, sagte Regina und wünschte sehnlichst, sie würde irgendetwas von dem erkennen, was da vor ihr stand. Und dann zwinkerte ihr Sebastian zu, und ihr Magen zog sich so heftig zusammen, dass an Essen überhaupt nicht mehr zu denken war.
11
Regina stocherte ein wenig in ihrem Essen herum, dann blickte sie auf und merkte, dass Sebastian sie ansah.
»Ich bin enttäuscht, Regina«, erklärte er. »Ich hätte dich nicht für einen Essensverweigerer gehalten.«
Sie spürte, wie sie errötete, doch endlich siegten ihr Unbehagen und die Absurdität der Situation über die Spannung und den Reiz. »Entschuldige, dass ich nicht gleich richtig reinhaue, aber ich werde seit einer Stunde herumkommandiert und habe das Gefühl, nicht beim Essen, sondern Teil eines bizarren Theaterstücks zu sein. Mir ist der Appetit vergangen.«
Sebastian lachte.
»Oje. Unzufriedene Kundschaft. Das erlebe ich zum ersten Mal«, neckte er sie und verärgerte sie damit noch mehr.
»Und wie komme ich an meine Kleidung zurück? Ich gehe nach dem Abendessen nämlich auf keinen Fall in dieses Hotelzimmer.«
»In Ordnung«, sagte er, sichtlich amüsiert, was sie noch mehr irritierte.
»Ich sage das nur, damit keine Missverständnisse entstehen.«
»Selbstverständlich«, nickte er.
Da sie nicht wusste, was sie noch sagen sollte, probierte sie den Wein. Er war köstlich und verbreitete Wärme in ihrer Kehle. »Wollen wir nicht langsam über die Bücher sprechen? Ich dachte, deshalb sind wir zum Essen gegangen?«
»Du willst gleich zum Geschäftlichen kommen?«
»Ja«, sagte sie und nahm noch einen Schluck.
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