Zeiten des Verlangens
zur Decke und gaben den Blick frei auf den Hudson. Allein die Lage und Größe des Lofts versetzten Regina in Erstaunen, aber die Innenausstattung war schier überwältigend, eine kontrastreiche Mischung aus dunklen Hölzern und Marmor. Die Räume waren karg möbliert, dafür wirkten die wenigen Stücke wie Kunstwerke. Die weißen Wände waren behängt mit Fotografien in schwarzen Rahmen.
»Was ist so wichtig, dass du mich inmitten eines Monsunregens hierherbringen musstest?«, fragte sie.
»Du sagtest, in der Arbeit wäre es dir unangenehm. Also sind wir jetzt hier. Keine Ausflüchte mehr. Ich schenke mir ein Glas Wein ein. Möchtest du auch eines?« Er verschwand in einer Küche aus schwarzem Marmor.
»Okay«, sagte sie nervös und ging auf die erste Wand mit Fotografien zu. Selbst aus der Entfernung sah sie, dass es Modefotografien waren wie die in Carlys Magazin. Sie waren vom Stil her anders als die Astrid-Lindall-Aufnahmen, und viele der Models kannte sie von den Titelseiten bekannter Modezeitschriften, von großen Hochglanzplakaten in den Schaufenstern der Fifth Avenue und von Werbeanzeigen auf so manchen Bussen.
Langsam schritt sie die Wand ab und blieb alle zwanzig Zentimeter stehen, um sich die Aufnahmen anzusehen. Sie verstand nicht sehr viel von Fotografie, aber die Bilder sprachen sie an, so, wie sie vielleicht auf einen bestimmten Song im Radio oder einen guten ersten Satz in einem Roman reagierte.
»Das sind nicht die Bilder, die ich dir zeigen wollte«, sagte Sebastian plötzlich hinter ihr. Sie schreckte leicht zusammen, sammelte sich aber rasch. Er langte um sie herum und drückte ihr ein Glas Weißwein in die Hand.
»Was wolltest du mir denn zeigen?«, fragte sie und trank einen Schluck.
»Ich habe dir doch beim Essen gesagt, dass Modeaufnahmen nicht meine Lieblingsarbeit sind, erinnerst du dich?«
»Ja«, sagte sie. Sie spürte, wie er sich an sie drückte, ohne sie dabei mit Armen oder Händen zu berühren. Das allein brachte ihr Herz zum Klopfen. Sie trank noch einen Schluck von dem Wein. Er war leicht und frisch, und sie musste sich bremsen, um nicht zu schnell zu trinken.
»Komm mit«, sagte er leise.
Er nahm sie bei der Hand und führte sie in den hinteren Teil des Lofts. Sein Griff war fest und gebieterisch, selbst bei dieser einfachen Berührung. Regina wollte sich auf irgendeine Weise behaupten, ihm sagen, dass sie sich erst noch die restlichen Bilder im Wohnzimmerbereich ansehen würde, wenn’s recht wäre. Aber derlei Auflehnung war zwecklos. Er wusste genauso gut wie sie, dass sie von dem Moment an, als sie ihre eigene Wohnung verlassen hatte, in seine Pläne eingewilligt hatte.
Es ging um die Ecke, und die Wände verengten sich zu einem langen Flur. Sebastian führte sie durch das Halbdunkel, bis er den Schalter drückte, der den Flur beleuchtete. Da sah Regina, dass sie von Fotografien umgeben war, die die ganze Raumhöhe einnahmen, alle schwarz-weiß und alle von spärlich bekleideten, umwerfend schönen Frauen.
Sie waren oben ohne, manche ganz nackt. Sie trugen Strumpfbandhalter, High Heels, durchsichtige schwarze Kleider, offen an der Brust. Ihre Haut war zart wie frische Sahne, manche waren tätowiert, andere rein wie eine frische Schneedecke. Die großen Augen – stark geschminkt, verführerisch, schläfrig, lasziv, wütend – erzählten ihr tausend Geschichten.
Sie ging langsam weiter, hypnotisiert von den Bildern. Während sie tiefer in den Flur vorstieß, wurden die Bilder eindringlicher: ein grob gekörntes Foto einer Frau, die mit einem Seil an einen Stuhl gefesselt war, nackt bis auf Strapse und Netzstümpfe, einen Knebel im Mund. Im Hintergrund eine Frau im Smoking, die seitlich eine Peitsche hielt. Und dann ein Bild von zwei sich küssenden brünetten Frauen, gekleidet in Dessous, wie Sebastian sie für Regina gekauft hatte, während man im Vordergrund verschwommen eine Frau erkannte, die ihnen zusah und eine Reitgerte schwang. Dann eine Frau auf den Knien, ein Vorhang aus schwarzen Haaren bis zur Taille, mit durchgebogenem Rücken und hochgestrecktem Hintern, die Beine nur bedeckt von den Netzstrümpfen, die zu den Knöcheln heruntergeschoben waren, die Füße in schwarzen hochhackigen Lackleder-Plateauschuhen. Das Bild vom nackten Hintern einer Frau, die Haut blass und samtig wie frische Sahne – mit Ausnahme des roten Flecks, in der schwachen, aber erkennbaren Form einer Hand.
»Die hast alle du gemacht?«, fragte Regina, obwohl sie die Antwort schon
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