Zeiten des Verlangens
los, Regina.«
❊ ❊ ❊
Sie saßen am Tisch bei Resten von gebratenem Hühnerreis und Coronabier aus der Flasche. Regina hatte sich ein altes T-Shirt mit dem Logo ihrer Uni und eine Jogginghose angezogen. Sie war körperlich erschöpft, doch ihr Geist lief auf Hochtouren.
»Er steht drauf, mich zu … tja, schätze, ›dominieren‹ ist das richtige Wort«, sagte Regina.
»Und wie genau macht er das?«
Jetzt, wo der Moment gekommen war, wollte Regina unbedingt alles erzählen. Sie wusste nicht, wie Carly reagieren würde. Würde sie es verrückt finden und Regina raten, sich von diesem Typen fernzuhalten, oder würde sie erklären, klar, mach ich selbst die ganze Zeit? Auf jeden Fall musste sich Regina jemandem anvertrauen.
»Na ja, er hat mir ein Handy gegeben, das ich immer bei mir tragen soll und nur für Gespräche mit ihm verwenden darf. Er schickt mir Befehle. Und er schreibt mir vor, was ich anziehen soll – immer Highheels und ganz spezielle Unterwäsche.«
»Na ja, ehrlich gesagt, kann dir etwas Stilberatung nicht schaden.«
Regina bedachte Carly mit einem vorwurfsvollen Blick, dann fuhr sie fort: »Wenn ich mich seinen Befehlen widersetze, indem ich mich zum Beispiel nicht richtig anziehe, ›bestraft‹ er mich.«
Jetzt horchte Carly wirklich auf. Die abgebrühte, allwissende Carly hatte plötzlich Augen groß wie Untertassen.
»Sprich weiter«, sagte sie.
»Na ja, er … versohlt mir den Hintern.« Mehr brachte Regina nicht heraus. Sie konnte nicht von diesem Raum erzählen.
Carly nickte. »Von solchen Praktiken habe ich gehört«, sagte sie und zupfte das Etikett von ihrer Bierflasche ab.
»Tatsächlich?« Regina konnte ihre Überraschung nicht verhehlen.
»Klar. Das ist BDSM .«
» BD was?«
» BDSM : Bondage, Discipline, Sadomasochismus. Eine ziemlich große Subkultur.«
»Im Ernst?«
»Ja. Manche Leute fahren voll darauf ab.«
»Dann findest du es also nicht … komisch?«
Carly zuckte die Schultern. »Also für mich wäre es nichts, aber ist ja egal. In kleinen Dosen könnte ich es mir heiß vorstellen. Ich kannte mal eine, die ist mit Hundehalsband rumgelaufen.«
»Wie meinst du das?«
»Sie trug ein Lederhalsband – wie für einen Hund. Aber mit einem kleinen Schloss dran. Sie hat mir erklärt, daran könnten die anderen Mitglieder der Community sehen, dass sie jemandem ›gehörte‹.«
»Das ist ein Witz, oder?«
»Nein.«
Jetzt fühlte sich Regina gleich viel besser. So weit war es mit ihr zumindest noch nicht gekommen.
»Dann findest du das alles relativ normal?«, hakte sie nach.
»Nö, ganz und gar nicht«, meinte Carly. »Aber solange es dir Spaß macht, ist es doch egal. Besonders, wenn es dir diese coolen Fummel von Prada einbringt. Ich würde sagen, gönn ihm den Spaß und lass dich versohlen.«
Regina errötete und blickte auf ihren Teller. Vielleicht hatte sie mit Carly nicht die beste Vertraute gewählt, aber im Moment gab es niemand anderes. Und wenigstens hatte sie jetzt eine Bezeichnung für das Ganze: BDSM .
Sie würde eine kleine Recherche starten, obwohl sie den Verdacht hatte, dass die Bibliothek kein Buch zu diesem Thema führte.
❊ ❊ ❊
Am Morgen kam Regina an ihren Schalter und traf Alex, der auf ihrem Stuhl saß und einen Stapel Bücher ordnete.
»Hallo«, grüßte Regina. »Tut mir leid wegen gestern. Ich hoffe, es ging nicht allzu sehr zu.«
»Nein, nein, alles in Ordnung. Aber Sloan will, dass du in ihr Büro kommst.«
Regina wurde blass. »Und warum?«, fragte sie und ließ ihre Tasche hinter den Schalter fallen.
»Weiß ich nicht. Aber so, wie sie bei ihrem Anruf klang, solltest du sie nicht zu lange warten lassen.«
Das verhieß nichts Gutes. Pflichtbewusst machte sich Regina auf in den ersten Stock.
Sloans Bürotür stand weit offen. Sie hatte das hellblonde Haar zu einem perfekten, losen Knoten aufgesteckt, die marineblaue Bluse säuberlich bis zu den Ellbogen aufgerollt, sodass ihre gebräunten Unterarme mit den feinen goldenen Armreifen zu sehen waren. Sie schlürfte Kaffee aus einem Starbucks-Becher, während sie die New York Post im Internet überflog. Regina klopfte an den Türstock.
Sloan blickte auf, und ihre Augen verschmälerten sich.
»So, so, wie schön von Ihnen, dass Sie sich auch mal wieder blicken lassen«, sagte sie.
»Das mit gestern tut mir leid«, stotterte Regina, die nicht erwartet hatte, dass sie ihre Entschuldigung so bald vorbringen musste. Sie hatte sich in der Subway schon etwas zurechtgelegt,
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