Zeiten des Verlangens
Unzahl von Bändern zusammengehalten.
Es war zwecklos. Für dieses Outfit brauchte sie ein zweites Paar Hände. Regina sah sich nach einem Handtuch oder Morgenmantel um, mit dem sie sich bedecken konnte. Da sie nichts fand, riss sie die schwere Tagesdecke vom Bett, zog das steife, weiße Laken darunter hervor und wickelte es wie eine Toga um sich, bevor sie zur Tür ging.
»Greta!«, rief sie.
Noch ehe sie die Frau sah, hörte sie schon ihre hochhackigen Schuhe auf dem Marmorboden.
»Ja?«, fragte Greta mit verschränkten Armen.
»Ich brauche bitte Ihre Hilfe.«
Die Frau schaute sie zwar nicht genervt an, aber ihr Blick schien zu sagen: »Was hat da so lange gedauert?«
»Wir beginnen mit dem Rock«, erklärte Greta entschieden, als hätte sie schon gründlich darüber nachgedacht.
»Sind Sie sicher? Na gut.« Regina wollte vor Scham im Boden versinken. Wie sollte sie das machen, ohne Greta ihren nackten Hintern vors Gesicht zu halten? Aber Greta hatte sich den Rock schon vorgenommen und öffnete die Bänder, sodass er sich zu einem einzigen, breiten Lederstreifen entrollte.
»Drehen Sie sich um. Mit dem Rücken zu mir. Und lassen Sie das Laken fallen«, kommandierte Greta.
Zutiefst beschämt folgte Regina den Anweisungen.
Greta griff von hinten um sie herum und schlang das Leder um sie, dann begab sie sich an das Zuknüpfen der Bänder, wobei ihre Finger behände hin und her flogen. Trotzdem schien die Prozedur ewig zu dauern, und Regina war erleichtert, als das letzte Band festgezurrt und verknotet war.
»Perfekt«, sagte Greta wie zu sich selbst. »Jetzt das Korsett. Heben Sie die Arme.«
Regina gehorchte unter Schmerzen.
»Kann ich sie wieder herunternehmen?«, fragte sie, als die Vorderseite des Korsetts in Position war und sie spürte, dass es von ein paar Bändern gehalten wurde. Greta murmelte etwas, das wie eine Erlaubnis klang, und erleichtert senkte Regina die Arme.
Dann verschnürte Greta das Korsett vom Steißbein bis zu den Schulterblättern und zog die Bänder so fest, dass Regina kaum mehr atmen konnte.
»Zu eng«, keuchte sie.
»Es muss eng sein«, entgegnete Greta mit unverhohlener Zufriedenheit. »Jetzt die Schuhe.«
Die Schuhe! Durch die qualvolle Prozedur mit dem Rock und dem Korsett hatte sie das schreckenerregende Schuhwerk vollkommen vergessen.
Regina starrte die Schuhe an. In ihrem gegenwärtigen Zustand konnte sie sich unmöglich bücken und sie zumachen. Sie kam sich vor wie in einer Zwangsjacke.
Greta kniete sich vor sie und hob einen Schuh an, sodass Regina ihren rechten Fuß hineinstecken konnte. Wegen des Höhenunterschieds zwischen der beschuhten und unbeschuhten Seite musste sich Regina hinunterbeugen und sich an Gretas Schulter festhalten, um Balance zu halten.
»Anderer Fuß«, sagte Greta. Regina schob den linken Fuß in den Schuh und richtete sich langsam auf. Sie war so viel größer geworden, dass sie das Zimmer aus einer ganz anderen Perspektive sah. Als Greta aufstand, bemerkte Regina, dass sie nun einige Zentimeter größer war als sie.
»Ich bin hier fertig«, erklärte Greta. Und damit ließ sie Regina alleine.
Regina wagte kaum, sich zu bewegen. Sie hatte Angst, zu stolpern und auf dem Rücken zu landen wie ein Käfer, der sich nicht umdrehen kann. Doch schließlich siegte ihre Neugier, und sie stakste zu dem mannshohen Spiegel.
»Ach du lieber Gott«, hauchte sie. Vom Hals abwärts hätte sie sich niemals erkannt. Ihr zusammengeschnürter, verlängerter Körper wirkte kraftvoll und erotisch, so wie die Frauen auf Sebastians Fotografien. Ihre helle Haut schimmerte wie Perlmutt im Kontrast zu dem dunklen Satin, und der kurze Rock und die extrem hohen Absätze ließen ihre Beine lang und stark erscheinen.
Sie drehte sich um, sah sich von hinten an und schnappte nach Luft. Die Schnürung ließ aufreizende Lücken frei, durch die man Blicke auf ihre Haut erhaschen konnte, die sich weiß vom tiefschwarzen Leder abhob. Sie musste an einen Ausdruck denken, den sie immer lächerlich gefunden hatte: »Sexbombe« Aber genau so sah sie aus – und so fühlte sie sich auch.
Sie hörte, wie sich die Tür der Suite öffnete und wieder schloss.
»Wo versteckst du dich?«, rief Sebastian.
Mit klopfendem Herzen stöckelte Regina zur Schlafzimmertür und zurück ins Wohnzimmer.
Sebastian sah umwerfend aus und ganz so, als wüsste er mit einer einen Meter achtzig großen Frau in Leder umzugehen. Er trug eine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd und war leicht
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