Zeiten des Verlangens
und spähte ins Schlafzimmer. Das große Bett war beladen mit Tüten und Schachteln mit Schleifen in jeder erdenklichen Farbe. Regina machte kehrt und ging zurück ins Wohnzimmer.
Sie setzte sich auf einen Wildledersessel und tippte ungeduldig mit dem Fuß.
Mehr und mehr fügte sich das Bild zusammen. Warum ihr Sloan die Einladung zur Vernissage entrissen hatte. Warum sie Sebastian bei den Meetings so ansah und es immer weniger billigen konnte, dass er sich für Regina interessierte. Es war offensichtlich, dass da nicht nur etwas zwischen den beiden gewesen war, sondern dass Sloan eindeutig, ob nun verlobt oder nicht, immer noch Gefühle für ihn hegte.
Die Tür ging auf.
Sebastian kam herein und war offenkundig überrascht, sie mitten im Raum sitzend vorzufinden. Der perplexe Ausdruck in seinem Gesicht hätte unter anderen Voraussetzungen ihr Herz noch mehr für ihn erwärmt. Doch nicht jetzt.
»Warum bist du nicht angezogen?«, fragte er, mehr erschrocken als verärgert. Offensichtlich war er schlau genug zu merken, dass hier etwas nicht stimmte.
»Ich bin angezogen«, sagte sie spitz, stand auf, ging auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. »Und ich gehe. Ich wollte dir nur noch das hier geben.«
Sie drückte ihm die Kette in die Hand. Er blickte auf sie herab, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Ich verstehe nicht«, sagte er.
»Nein. Ich war es, die nicht verstanden hatte. Mir war nicht bewusst, dass diese Kette nur Teil der Arbeitskluft für weibliche Bibliotheksangestellte ist.«
In seinen Augen blitzte die Erkenntnis auf, doch gleich darauf war sein Blick wieder cool und neutral.
»Ich bezweifle, dass irgendeine deiner Kolleginnen an der Ausleihe eine solche Kette trägt«, sagte er.
»Ach, hast du es noch nicht gehört? Ich arbeite nicht mehr an der Ausleihe. Ich wurde zurückgestuft und sitze jetzt am Rückgabeschalter. Meine Chefin ist in letzter Zeit anscheinend nicht mehr zufrieden mit mir. Hast du eine Idee, warum das so sein könnte?«
»Es scheint, du hast eine. Also warum sagst du mir nicht einfach, was du denkst?«
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du mit meiner Chefin geschlafen hast?«
»Ich rede nicht über verflossene Liebschaften. Und es ist lange her.«
»Verdammt, Sebastian! Ich fasse es nicht. Ich komme mir so blöd vor.« Tränen schossen ihr in die Augen, und sie wandte sich ab. »Gestern Nacht haben wir uns stundenlang im Bett unterhalten – und doch ist dir nie in den Sinn gekommen, das zu erwähnen?«
»Es hat absolut nichts mit dir zu tun, Regina«, beteuerte er und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie drehte sich nicht um, sondern blickte weiter stur auf die Fenster, vor denen sich die Stadt ausbreitete.
»Es fühlt sich aber nicht so an.«
»Es ist lange her, Regina. Und es war nur von kurzer Dauer.«
»Hast du sie geliebt?«
»Ich habe noch nie jemanden geliebt, Regina. Darum geht es bei dieser ganzen Sache nicht.«
Die Tränen kamen jetzt ganz plötzlich, so schnell, dass sie nicht mehr alle fortwischen konnte. Vor Anstrengung, das Weinen zu unterdrücken, zitterte sie am ganzen Leib.
Sie schnappte ihre Tasche und ging an ihm vorbei zur Tür hinaus.
❊ ❊ ❊
Carlys Sofa war mit feuchten, zerknüllten Taschentüchern übersät.
»Tut mir leid«, schluchzte Regina, »dass ich hier ein solches Chaos anrichte.« Sie rupfte das letzte Tempo aus der Schachtel.
Carly ging zum Flurschrank und kam mit einer neuen Packung zurück. »Nimm es nicht so tragisch. Was habe ich dir von Anfang an gesagt? Gönn dir etwas Spaß und nimm mit, was du kriegen kannst. Schau, für dich sind ein paar super Klamotten rausgesprungen. Und Schmuck. Ich kann nicht glauben, dass du ihm diese Kette zurückgegeben hast!«
Regina schüttelte den Kopf. »Mir macht es aber keinen ›Spaß‹, wenn es keine Bedeutung hat. Kann ich dich etwas fragen? Was war bei dir und diesem Kerl los, den du wirklich gern hattest? Rob?«
»Ach, das.« Carly nahm die Spange aus ihrem Haar, drehte es ein und steckte es wieder fest, bevor sie antwortete. »Er wollte eine offene Beziehung. Okay, dachte ich, wie er meint. Es hat mich natürlich verletzt, aber dann dachte ich, am besten komme ich damit klar, wenn ich mich beschäftige.«
»Mir anderen Kerlen.«
»Ja. Es hat mich von ihm abgelenkt. Und dafür gesorgt, dass ich ihm nicht nachlief. Solange ich mit anderen Kerlen zusammen war, habe ich mir nicht den Kopf zerbrochen, wo er steckt und was er treibt. Zumindest nicht so sehr, wie wenn ich
Weitere Kostenlose Bücher