Zeiten des Verlangens
und grenzte an der östlichen Seite an die Bibliothek.
»Es ist so schön hier. Warum sind wir nicht schon früher zum Mittagessen hergekommen?«, fragte Regina. Es war wirklich schön – und es wäre noch schöner gewesen, wenn ihr immer noch empfindlicher Hintern nicht so sehr auf dem Metallstuhl geschmerzt hätte.
»Früher war das hier eine Oase. Aber jetzt ist der Park voller Touristen, wegen dem ganzen Quatsch, den sie hier regelmäßig veranstalten: Filmfestivals, die Fashion Week mehrere Jahre in Folge, alles Mögliche. Für mich hat der Park immer zur Bibliothek gehört, aber das ist vorbei. Obwohl seine gesamte Fläche über den unterirdischen Archiven liegt.«
»Über den Archiven der Bibliothek? Das glaube ich nicht!«
»Doch«, Margaret nickte und nahm den Deckel von ihrem Obstsalat. »In den 1980ern ging uns langsam der Platz für die Regale aus – selbst nachdem wir viele Sammlungen in anderen Häusern untergebracht hatten. Also blieb nur, Hunderte Quadratmeter neuen Lagerraums unter diesem Park zu schaffen. Ein zwanzig Meter langer Tunnel verbindet ihn mit der Bibliothek.«
»Unglaublich!«, staunte Regina und schaute sich um. »Und das Karussell ist auch so bezaubernd.«
»Finden Sie? Ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen.«
»Ist es denn neu?«
»Es steht seit ungefähr zehn Jahren hier.« Maragarets Augen verengten sich. »Interessante Kette«, meinte sie mit Blick auf Reginas Schloss-Anhänger.
»Oh, danke.« Reginas Hand schnellte empor, um ihn verlegen zu bedecken.
»Genauso eine hat Sloan früher auch einmal getragen«, stellte Margaret fest.
Regina sah sie fassungslos an. Als sie ihre Stimme wiederfand, musste sie sich Mühe geben nicht zu stottern. »Ich habe nie so etwas bei ihr gesehen.«
»Ich auch schon eine Weile nicht mehr, aber eine Zeit lang trug sie diese Kette täglich. Dann nicht mehr.«
Regina machte sich am Deckel ihrer Wasserflasche zu schaffen, den Kopf gesenkt, sodass ihr Haar nach vorne fiel und ihr feuerrotes Gesicht verdeckte.
»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sich Margaret.
»Ja … es ist nur so heiß hier draußen. Vielleicht hätte ich kein Thunfisch-Sandwich nehmen sollen. Entschuldigen Sie.«
»Regina, sagen Sie mir, was los ist.«
Regina zögerte einen Augenblick, aber was ihr durch den Kopf ging war zu schmerzlich, als dass sie es für sich behalten konnte.
»Ich … habe jemanden kennengelernt«, sagte sie zögerlich. Margarte nickte ihr ermunternd zu. »Und er hat mir diese Kette geschenkt. Sie hat eine besondere Bedeutung für ihn – für uns. Aber er kennt auch Sloan, also kann es kein Zufall sein, dass sie die gleiche Kette getragen hat.«
»Aber Sloan will bald heiraten. Glauben Sie denn, dass sie gleichzeitig etwas mit Ihrem Freund hat?«
Bei diesem Gedanken zog sich Reginas Magen zusammen. »Nein, nicht jetzt. Lieber Gott, nein. Aber früher vielleicht.« Sie stand auf, und die plötzliche Bewegung, verbunden mit der Hitze und den unerträglichen Bildern in ihrem Kopf, machten sie schwindelig. »Ich muss mit ihm reden«, erklärte sie.
»Regina, jeder Mensch hat eine Vergangenheit. In Ihrem Alter mag das schwer zu verstehen sein, aber Sie dürfen es nicht überbewerten. Wenn es überhaupt stimmt.«
»Mag sein. Aber ich sollte es nicht auf diese Weise erfahren. Er hätte es mir sagen müssen. Ist das nicht die Grundlage einer Beziehung? Dass man über alles redet?«
Margaret nickte nachgiebig. »Aber Regina, darf ich Ihnen einen Rat geben? Bringen Sie erst die Fakten in Erfahrung, bevor Sie impulsiv handeln. Wir Frauen vergessen oft, wie wichtig das ist. Und dann tun und sagen wir Dinge, die wir später bereuen.«
»Wenn meine Vermutung stimmt – und es fühlt sich ganz so an –, dann bereue ich einzig, mich je auf diese Sache eingelassen zu haben«, sagte Regina.
28
Um achtzehn Uhr dreißig öffnete Regina die Tür zu Zimmer 2020 im Four Seasons. Doch heute Abend wäre das die einzige Anweisung von Sebastian, die sie befolgen würde.
Drinnen ließ sie die kühle Luft aus der Klimaanlage frösteln. Sie schloss die Tür hinter sich.
»Hallo?«, rief sie fragend und ging ins Wohnzimmer. Blumen bedeckten jeden freien Flecken – Rosen, Orchideen, Zantedeschien – alle in Kristallvasen.
Und diesmal lauerte ihr keine Garderobiere auf, was eine Erleichterung war. Vielleicht ging Sebastian davon aus, dass sie sich mittlerweile selbst anziehen konnte.
Sie warf ihre Chanel-Tasche auf die Kirschkommode neben dem Eingang
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