Zeiten des Verlangens
College war«, erklärte er. Regina spürte, wie er sich versteifte, und bereute ihre Frage sofort. Nach einem kurzen Schweigen küsste er sie auf den Kopf und sagte: »Also, von wem hast du nun diese großen blauen Augen?«
Ihr war klar, dass er demonstrativ das Thema wechselte, und sie billigte es mit einem kleinen Lächeln. »Von meinem Vater.«
»Ich wünschte, ich dürfte dich fotografieren. Es bringt mich fast um den Verstand, dass du es nicht zulässt.«
Jetzt war sie es, die sich abwandte. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich es hasse, fotografiert zu werden. Und überhaupt, seit wann fragst du mich um Erlaubnis?«
»Jemanden zu fotografieren ist ziemlich ähnlich wie jem anden zu dominieren: Wenn der andere nicht will, kommt nichts dabei heraus.«
Regina nickte. Sie wünschte, sie könnte ihm sagen, dass sie es auf einen Versuch ankommen lassen wollte, aber sie konnte es nicht. Jetzt war es an ihr, das Thema zu wechseln. »Und nach wem kommst du ?«, fragte sie.
»Nach mir selbst«, sagte er und küsste sie.
»Im Ernst«, sagte sie und löste sich von ihm. »Zwing mich nicht, dich zu googlen«, scherzte sie.
Sein Gesicht verfinsterte sich. »Wenn du etwas in Erfahrung bringen möchtest, kann ich dich nicht davon abhalten, Klatsch und Tratsch zu lesen. Aber wirklich wissen musst du über mich nur eines: Ich bin verrückt nach dir.«
Er umarmte sie erneut. Und sie schwieg. Dass er nach ihr verrückt war, war tatsächlich alles, was sie wissen musste. Zumindest für den Moment.
27
Regina sah die tätowierte Frau vom Kurierdienst schon vom anderen Ende des Raums. Kaugummi kauend kam sie direkt auf den Rückgabeschalter zu. »Sie sind an einem anderen Schalter«, stellte sie fest.
»Ja«, nickte Regina.
»Aber ich habe Sie trotzdem gefunden.«
»Offensichtlich.«
»Das ist für Sie. Und Sie müssen hier unterschreiben.«
Regina nahm die große schwarze Schachtel mit dem breiten weißen Satinband entgegen und stellte sie auf den Boden. Dann unterschrieb sie den Wisch auf dem Klemmbrett der jungen Frau und wartete, dass sie wieder ging.
»Ist noch etwas?«, erkundigte sich Regina.
»Ich soll etwas von Ihnen bekommen und ihm bringen.«
»Wovon sprechen Sie?«
»Keine Ahnung«, sagte die junge Frau und ließ ihre Kaugummiblase so laut platzen, dass ein paar Bibliotheksbesucher zu ihnen herübersahen. »Der Typ hat gemeint, Sie sollen die Schachtel öffnen, dann würden Sie verstehen.«
»Oh, Gott. Sie müssen gehen. Ich will nicht, dass meine Chefin das mitbekommt.«
»Dieser Typ gibt ein gutes Trinkgeld – ein sehr gutes . Ich gehe nicht.«
»Na gut«, seufzte Regina, löste das Band und öffnete den Deckel der Schachtel.
Unter einer Wolke von Seidenpapier fand sie eine glänzende schwarze Tragetasche aus gestepptem Leder mit dem großen Doppel-C auf jeder Seite. Die goldenen Ketten, an denen man sie trug, waren mit Leder versehen, wo sie über der Schulter hingen. Auf der Tasche lag eine Nachricht.
Meine liebste R.,
alles Gute zum Geburtstag. Ich bedaure die Verspätung, aber in diesem Fall hatte ich, wie wir beide wissen, keine Wahl. Ich hoffe, dass Du das Geschenk gebrauchen kannst. Und um sicherzugehen, habe ich die Zustellerin angewiesen, mir diesen schrecklichen alten Stoffsack, den Du mit Dir herumträgst, auszuliefern. Chanel hat mir versichert, dass diese Tasche all Deine Bücher mit Leichtigkeit aufnehmen kann.
In der Innentasche befindet sich Dein Zimmerschlüssel für das Four Seasons. Deine Kleidung für heute Nacht – und Dein richtiges Geburtstagsgeschenk – warten dort auf Dich, wenn Du mit der Arbeit fertig bist.
Bis dann,
– S.
»Können Sie mir das Teil, oder was immer es ist, jetzt geben?«, fragte die Frau vom Kurierdienst. Regina hatte sie ganz vergessen.
»Ähm, ja …«, stotterte sie, griff nach ihrer abgetragenen Old-Navy-Tasche und leerte den Inhalt auf den Boden, sodass die Zustellerin ihr nicht zusehen konnte. Dann übergab sie ihr die Tasche. Einen Moment lang flammte etwas wie Nostalgie für ihre alte Tasche auf, aber das war sicherlich keinen Verweigerungsakt wert.
»Das soll ich ihm bringen?«, fragte die junge Frau und nahm die Tasche mit spitzen Fingern entgegen.
»Ja«, sagte Regina. »Ganz genau.«
❊ ❊ ❊
Regina und Margaret setzten sich an einen freien Tisch im Bryant Park, einer dreieinhalb Hektar großen Anlage mit viel Grün, Imbissständen, Tischen, Stühlen und sogar einem Karussell. Der Park lag zwischen der Fifth und Sixth Avenue
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