Zeiten des Verlangens
Cover tragen sollen. Ich bitte dich doch nur darum, mich sehen zu lassen, was passiert, wenn ich die Frau, die mich inspiriert, vor die Kamera stelle.«
Sie dachte an die Schwarz-Weiß-Aufnahmen in seiner Wohnung – Frauen in Fesseln, gepeitschte Frauen, nackt und verewigt durch Sebastians Objektiv.
»Ich kann nicht«, sagte sie.
»Du hast mir in jeder Hinsicht vertraut. Meistens ohne mit der Wimper zu zucken. Und dann läufst du davon, weil ich dich fotografieren will?«
»Es klingt fies, wenn du es so formulierst.« Hard Limit , dachte sie.
Sie drehte sich um und rannte in den Bahnhof.
❊ ❊ ❊
Reginas Gesicht war aufgequollen und tränenverschmiert, als sie die Tür ihrer Wohnung aufsperrte. In der Bahn zu weinen war ein neuer Tiefpunkt gewesen. Aber vielleicht gehörte das zu ihrem Leben in New York dazu.
Sie ging in die Wohnung und tröstete sich damit, dass sie nur Sekunden vom Himmelreich ihres Schlafzimmers trennten.
»Wo hast du gesteckt?« Carly stand vor ihr und war perfekt gestylt. Sie trug ein gelbes Sommerkleid, das abgestimmt war auf ihren goldschimmernden Teint und das honigblonde Haar, das sie zu einem lässigen Knoten im Nacken geschlungen hatte. Außerdem hatte sie Lipgloss aufgelegt und gerade genug Rouge, um ihren Wangen ein rosiges Glühen zu verleihen. Doch das war nicht der eigentliche Grund, warum Carly schöner aussah denn je. Regina erkannte, dass es nicht an der Bräune lag, am perfekten Make-up oder am Kleid: Zum ersten Mal, seit sie Carly Ronak kannte, sah sie richtig glücklich aus.
»Ähm, wo ich immer bis um sechs bin – in der Arbeit«, sagte sie.
Und in diesem Moment bemerkte sie, dass sie nicht allein in der Wohnung waren.
Ein junger Mann sprang vom Sofa auf. Er hatte sandbraunes Haar und Grübchen, trug ein Dartmouth-T-Shirt und eine khakifarbene Hose und begrüßte Regina mit einem warmherzigen Lächeln. Alles in allem war er eher süß als gut aussehend.
»Hallo Regina – schön, dich endlich kennenzulernen. Ich bin Rob Miller.«
»Du bist … Rob?«, staunte Regina. Das also war der Herzensbrecher? Der Kerl, der Carly in ein schluchzendes Häufchen Elend verwandelt hatte, das sich tagelang im Schlafzimmer verkroch?
»Wir haben auf dich gewartet«, erklärte Carly und nahm Robs Hand.
Regina verstand nicht, wie Rob im Laufe eines Nachmittags in Carlys Leben hatte zurücktreten können, um jetzt in ihrem Wohnzimmer zu stehen und sie anzusehen, als wäre er hier zu Hause und Regina die Besucherin. War sie so sehr mit ihrem Kummer beschäftigt gewesen, dass sie nicht mitbekommen hatte, wie Carly sich mit Rob versöhnt hatte? »Wir treffen uns mit Robs Freund Andy auf ein paar Drinks und wollen, dass du uns begleitest.«
Ach du liebes bisschen, ein Verkupplungsversuch? Carly musste blind vor Liebe sein, denn offensichtlich war ihr Reginas Zustand entgangen. Sie war kaum in der Lage, sich die Zähne zu putzen und ins Bett zu fallen, geschweige denn, zu einem Doppeldate zu gehen.
»Ein andermal«, entschuldigte sie sich. »Freut mich, dich kennenzulernen«, murmelte sie Rob zu.
Aber Carly ließ nicht so leicht locker. Sie folgte Regina ins Schlafzimmer.
»He«, sagte sie und schloss die Tür hinter sich. »Warum kommst du nicht mit?«
Regina warf ihre Chanel-Tasche aufs Bett. Sie wünschte, sie hätte ihr altes Ding von Old Navy zurück. Sie ertrug den Anblick des schwarz glänzenden Leders mit den verschlungenen goldenen Cs nicht. Es war, als trüge sie Sebastian um die Schulter. »Warum hast du mir nicht erzählt, dass du wieder mit Rob zusammen bist?«
»Ich wollte es dir ja erzählen, aber du warst in den letzten Tagen nicht sonderlich kommunikativ.«
Regina dachte an ihre Cornflakes-Mahlzeiten hinter verschlossener Tür in ihrem Zimmer, das frühzeitige Schlafengehen um neun, um ihrer Misere zu entrinnen, das späte Aufstehen am Morgen, um direkt zur Arbeit loszustürmen. »Du hast wahrscheinlich recht. Tut mir leid. Also, was ist passiert?«
Carly deutete auf die Tür zum Wohnzimmer, wo Rob auf sie wartete. »Es ist grad ein wenig ungünstig, dir alles zu erzählen, also fasse ich mich kurz: Wir haben nicht all unsere Probleme gelöst. Aber wir haben einen Weg gefunden, wie wir uns in der Mitte treffen können.«
Regina nickte. »Tja, ich freue mich für dich. Er scheint ein netter Kerl zu sein.«
»Komm doch mit. Andy ist auch sehr nett. Du kannst doch nicht den Rest deines Lebens in diesem Zimmer sitzen und Sebastian Barnes nachtrauern. Du musst
Weitere Kostenlose Bücher