Zeiten des Verlangens
haben. Und das ist nur ein Problem. In den letzten vier Jahren ist das Budget für Neuanschaffungen um sechsundzwanzig Prozent gesunken. Dieser Zug ist abgefahren, Regina.«
Zu ihrem eigenen Schrecken begann Regina zu weinen.
»Ach Regina. Sie nehmen es viel schlechter auf als ich.«
Margaret kam um den kleinen Tisch herum und umarmte sie. Regina ließ es zu und schluchzte wie ein Kind in ihren Armen. Irgendwie zauberte Margaret ein Stofftaschentuch hervor und drückte es ihr in die Hand. Regina wischte sich die Augen.
»Danke. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
Margaret trat einen Schritt zurück und lächelte sie an. »Alles wird gut, Regina. Die Bibliothek wird überleben. Ich suche mir eine Arbeit in einem Buchladen. Oder vielleicht starte ich auch so einen Blog …«
Regina lachte.
»Aber vor allen Dingen wird bei Ihnen alles gut.«
Regina nickte ohne Überzeugung. »Danke, dass Sie mir das mit Sebastian gesagt haben. Ich habe versucht, mit ihm über seine Mutter zu reden, aber er wollte nicht.«
»Ich muss Ihnen sagen, Regina, ich behaupte nicht, sehr viel von Männern zu verstehen. Ich habe nie geheiratet, und das hat seinen Grund. Aber eines der wenigen Dinge, die ich in meiner Zeit gelernt habe, ist, dass man einen Mann nicht ändern kann. Und retten kann man ihn auch nicht.«
»Ich bin mir sicher, da haben Sie recht«, schniefte Regina.
»Finden Sie heraus, was Sie wollen und was Sie glücklich macht. Und dann können Sie entscheiden, welchen Mann Sie in Ihr Leben aufnehmen.«
»Dann haben Sie nie einen Mann gefunden, den Sie heiraten wollten?«, fragte Regina.
»Ach, es gab viele Männer, die ich wollte«, sagte Margaret mit einem verschmitzten Lächeln. »Und wenn ich sie irgendwann nicht mehr wollte, habe ich mich dem nächsten zugewandt.«
»Margaret!«, rief Regina.
»Was?«, fragte die alte Frau. »Mit verstaubten alten Büchern komme ich zurecht. Aber nicht mit verstaubten Liebesaffären.«
35
Regina hatte es nicht eilig, mit der Arbeit aufzuhören. Sie blickte zur Uhr, sah, dass es zehn nach sechs war, und brachte kaum die Energie auf, sich zu bewegen.
»Tja, es ist toll, dich wieder hier zu haben, Finch, aber ich mach Schluss für heute«, meinte Alex und warf ein letztes großes Buch auf ihren Tisch.
»Dann wünsche ich dir einen schönen Abend«, sagte Regina.
»Den werde ich haben«, sagte er mit einem breiten Grinsen.
»Ach ja? Ein heißes Date?«
»Das kann man wohl sagen. Weswegen bleibst du noch hier? Hilfst du beim Schnelldurchlauf?«
»Bei welchem Schnelldurchlauf?«
»Sloan richtet den Veranstaltungsort für die Gala her. Eine Art Übungsdurchlauf. Ich dachte, vielleicht hat sie dich miteingespannt.«
»O Gott – noch nicht. Aber danke für die Warnung.« Regina warf ihre Sachen in ihre Tasche. »Ich gehe mit dir raus«, erklärte sie.
Gemeinsam gingen sie die große Treppe hinunter ins Foyer, wo man schon eine Andeutung der schwülen Hitze spürte, die draußen herrschte.
Auf den Stufen saßen Leute, jedoch nicht mehr so viele wie um die Mittagszeit herum. Auf dem Bürgersteig schoben sich die Massen in Richtung Grand Central Station, und Regina graute vor der stickigen Subway, die ihr bevorstand.
»Bis bald, Finch«, sagte Alex und bog in südliche Richtung auf die Fifth Avenue.
Regina wollte sich ebenfalls verabschieden, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie den schwarzen Mercedes bemerkte, der auf der anderen Straßenseite parkte.
Du kannst einfach links abbiegen und zum Bahnhof gehen , sagte sie sich. Und das tat sie dann auch. Leider kannte Sebastian sie gut genug und wusste, in welche Richtung sie ging. Und mit seinen langen Beinen sprintete er los und schnitt ihr an der nächsten Kreuzung den Weg ab.
»Du gehst nicht ans Handy«, sagte er. Er hatte sich vor ihr aufgebaut und verstellte ihr den Weg.
Sie erlaubte sich nicht, ihm in die Augen zu blicken. Wenn sie das tat, wäre sie verloren.
»Meinst du das hier?«, fragte sie und zog das iPhone aus ihrer Tasche und reichte es ihm. Sie hatte es seit drei Tagen nicht angestellt. Er weigerte sich, es anzunehmen.
»Können wir bitte eine Minute reden?«, bat er.
Sie wusste, sie sollte einfach weitergehen, doch stattdessen sah sie zu ihm auf. Der Anblick seiner dunklen samtenen Augen und der markanten Mundpartie hatte eine verheerende Wirkung auf sie … sie blieb wie angewurzelt stehen.
Offensichtlich verstand er ihr Schweigen als ein Ja. »Im Auto?«, schlug er
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