Zeiten des Verlangens
fest, aber doch mit Kraft.
»Eins«, rief die Frau in klarer Stimme aus. Fester , formte Sebastian mit den Lippen.
Regina führte einen schnelleren Schlag aus, und das Klatschen auf dem Hintern war fast zu viel für sie. »Zwei!«, rief die Frau. Regina holte erneut aus, obwohl ihr Arm zu zittern begann.
»Lass sie kommen«, befahl Sebastian. Wieder sah Regina ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Sie schlug noch fester zu. Die Frau stöhnte leicht – nicht so laut wie bei ihrem Vorgänger, aber immerhin.
»Drei«, sagte sie und ihre Stimme klang etwas angespannter.
Regina schlug erneut zu, diesmal mit einer Gewalt, die sie selbst überraschte. Die Frau reagierte mit einem ekstatischen Quietschen und sagte mit belegter Stimme: »Vier.«
Sebastian nahm Regina die Gerte ab und führte sie zurück zur Treppe.
❊ ❊ ❊
Draußen war es kühl geworden. Regina war glücklich, wieder angezogen zu sein, und fragte sich, ob der schwerste Teil der Nacht nun hinter ihr lag – oder ihr noch bevorstand.
Sie war froh, dass er sie in den Club gebracht hatte und sie aus erster Hand erfahren konnte, wie es sich anfühlte, wenn man selbst die Peitsche schwang. Überraschenderweise hatte sie die Machtposition überhaupt nicht erregt. Ihr wurde klar, dass die sexuelle Dynamik zwischen ihr und Sebastian nicht allein etwas war, dem sie sich ihm zuliebe fügte, sondern dass sie ihr tatsächlich entsprach. Natürlich hätte sie schon eher darauf kommen können, weil es ihr diesen intensiven Genuss verschaffte. Aber bevor sie nicht die andere Seite kennengelernt hatte, konnte sie das nicht mit Sicherheit sagen. Jetzt hatte sie gesehen, wer sie nicht war, und bekam dadurch ein besseres Gefühl für ihre sexuelle Identität. Und obwohl es der Logik widersprach, würde ihr die Gewissheit, keine Dom zu sein, die Fotosession erleichtern: Sie würde wenig von sich selbst auf diesen Fotos preisgeben, sondern in eine Rolle schlüpfen. Ihre eigene Sexualität wäre weiterhin ein süßes Geheimnis zwischen ihr und Sebastian.
Sie hoffte nur, dass sie die Dom überzeugend darstellen konnte. Sie empfand jetzt noch größeren Respekt für Bettie Page.
Sebastian zog sein Handy raus.
»Jess«, sagte er. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Kannst du in zwanzig Minuten bei mir sein? Ich habe Regina bei mir, und wir brauchen dein Talent.«
Regina sah ihn fragend an, aber er zwinkerte ihr nur zu.
38
»Bitte zu Boden blicken und dabei den Kopf nach vorne gerichtet halten.«
Jess, die rothaarige Britin von ihrem ersten Besuch im Four Seasons, leitete Regina geduldig durch ihre erste professionelle Maske.
Regina lehnte sich auf Sebastians Esszimmerstuhl zurüc k. Sie schwitzte unter den Deckenleuchten.
»Ist das nicht sehr viel Make-up?«, fragte sie und versuchte dabei, den Kopf stillzuhalten. Jess legte gerade die ungefähr dritte Schicht Lidschatten auf.
»Vertrauen Sie mir, das ist es nicht. Ich weiß, dass Sebastian viel in Schwarz-Weiß fotografiert, da braucht man viel mehr Kontrast. Es mag übertrieben aussehen, wenn Sie in den Spiegel schauen, aber auf dem Film ist es perfekt.«
Sebastian war dabei, das Wohnzimmer herzurichten und verrückte Möbel.
»Ich werde auch ein paar Außenaufnahmen machen«, sagte er zu Jess. Das war Regina neu.
»Welche Kamera nimmst du? Die Mark II ?«
Sebastian murmelte etwas, das nach Zustimmung klang.
»Kopf stillhalten«, mahnte Jess. Mit gesenktem Kopf blickte Regina direkt auf Jess’ Brüste, die sich durch das dünne graue Rolling-Stones-T-Shirt abzeichneten. Sie fragte sich, wie oft Sebastian wohl schon mit ihr zusammengearbeitet hatte – und wie eng. Sie hasste sich für ihre Eifersucht, für die Art, wie ihre Gedanken automatisch diesen Kurs einschlugen. Sie fragte sich, wann und ob sie sich jemals sicher fühlen würde.
Jess wandte sich wieder ihren Pinseln, Tiegeln, Puderdosen, Wimpernzangen, Mascarabürsten, Kajalstiften, Pinzetten und Lidschatten zu, die auf Sebastians Esstisch verteilt lagen. »Fast fertig«, meldete sie und nahm mehrere Lippenstifte in die Hand, doch keiner gefiel ihr.
Sebastian kam, um das Ergebnis zu begutachten. Regina kam sich so bemalt und bekleistert vor, dass sie sich vor seiner Reaktion fürchtete. Aber der Ausdruck in seinem Gesicht wischte all ihre Bedenken fort.
»Jess, auf dich und deine Zauberkunst ist einfach Verlass«, sagte er. »Und was dich betrifft« – er kam zu Regina und legte ihr die Hand auf den Kopf. Sie blickte auf, und
Weitere Kostenlose Bücher