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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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stehen. Sie blickte uns trotzig an. »Es ist mein gutes Recht, es noch einmal zu versuchen! Habe ich nicht genug gebüßt?«
    »Wenn es so wäre, würdest du es erfahren. Geh jetzt zurück ins Haus! Warte, bis deine Zeit gekommen ist!« Er wandte sich an mich. »Geh schon voraus. Ich folge dir gleich.«
    Zögernd setzte ich mich in Bewegung. Über die Schulter sah ich, wie Clarissa versuchte, mir hinterherzulaufen, doch Sebastiano verstellte ihr den Weg und hielt sie fest. »Es tut mir leid«, sagte er.
    »Ich hasse dich!«, rief sie wütend.
    »Geh zurück ins Haus«, sagte er, sie in Richtung Kräuterladen schiebend.
    Sie riss sich los. »Ich hasse dich!«, wiederholte sie, bevor sie sich brüsk abwandte.
    Sebastiano wartete, bis sie im Haus verschwunden war, dann kam er zu mir.
    »Bist du bereit?«, fragte er.
    Ich nickte stumm.
    Er marschierte zügig drauflos, und ich hatte Mühe, Schritt zu halten.
    »Warum durfte sie nicht mit?«, fragte ich. »Sie hätte es doch versuchen können! Wieso lässt du sie nicht mit ins Boot?«
    »Darüber kann ich nicht sprechen.«
    Wie immer ärgerte mich diese Kommunikationsbeschränkung, doch was sollte ich machen?
    Während ich neben ihm herlief, beschloss ich, wenigstens eine andere Sache zu klären. »Weißt du, wegen des Geldes, das du mir gegeben hast – es war ziemlich viel, jedenfalls nach allem, was ich bisher darüber herausgefunden habe. Wir sollten uns jetzt schon auf einen Umrechnungskurs einigen, damit ich weiß, wie viel ich dir zurückzahlen muss, wenn ich wieder zu Hause bin. Was hältst du davon?«
    »Hast du etwa alles ausgegeben?«
    »Na ja …«
    »Du hast es Clarissa überlassen!«
    Ich fuhr unter seinem verärgerten Blick zusammen. »Das fand ich nur fair!«, verteidigte ich mich. »Sie hängt seit Jahren hier fest und schuftet wie verrückt und sie hat nicht mal was Vernünftiges zum Anziehen! Das hat sie nicht verdient! Sie hat doch niemandem was getan!«
    »Vermutlich hat sie dir immer noch nicht die ganze Wahrheit erzählt.«
    »Doch, das hat sie«, trumpfte ich auf. »Sie hat mir gesagt, dass sie gar nicht aufs Schafott musste, sondern vorher aus Paris abgehauen ist.«
    Sebastiano schüttelte den Kopf. »Vergiss es einfach.«
    »Weshalb soll ich es vergessen? Warum kann man ihr nicht das harte Leben etwas leichter machen?«
    »Vielleicht, weil sie sich alles selbst zuzuschreiben hat.«
    »Nur, weil sie aus Versehen ins Wasser gefallen ist? Also hör mal!« Ich hielt inne. »Oder hast du was anderes gemeint?«
    »Darüber kann ich nicht sprechen.«
    Aha, da hatten wir es wieder. Die dämliche Sperre. Aber das konnte mir ab sofort ganz egal sein, denn gleich würde ich eine fünfhundertzehn Jahre lange Reise in die Zukunft antreten.
    Wir hatten den Canal Grande erreicht. Schräg gegenüber, am anderen Ufer, lag einer der schönsten Palazzi Venedigs, die Ca’ d’Oro, jedenfalls würde er in der Zukunft so heißen und dann ein Museum sein. Ihn hier inmitten der historischen Umgebung vor mir zu sehen, exakt am selben Ort wie in der Zukunft, nur ein paar Hundert Jahre jünger, war wie eine verheißungsvolle Verbindung zu meiner eigenen Zeit, der richtigen Zeit. Die Zeit mit Häagen Dazs und Facebook. Ciao, Hirsebrei und Abtritt!
    Hoffnungsvoll blickte ich über den Kanal. Die Wasseroberfläche blinkte golden in der Sonne, alles war friedlich und ruhig. Die Stille war fast greifbar, denn das nächste Motorboot war buchstäblich eine Ewigkeit entfernt. Nur Gondeln zogen dort ihre Bahn, bunt statt schwarz, weil das Anti-Luxusgesetz noch nicht erlassen war. Bald wäre all das hier wirklich Vergangenheit. Ich würde es von einer anderen, besseren Seite aus betrachten können. Nämlich rückblickend.
    Dann sah ich die rote Gondel. Sie kam aus einem Seitenkanal und näherte sich rasch. Der einäugige alte Mann stand auf der hinteren Abdeckung und zog schwungvoll das Ruder durchs Wasser. Er kniff das verbliebene Auge zu, als er mich sah. Unzählige Falten zerknitterten sein Gesicht, während er mich angrinste. »Mir scheint, da kann es jemand kaum erwarten«, sagte er mit krächzender Stimme.
    Wieder hatte ich das Gefühl, ihn von irgendwoher zu kennen, doch dann drängte mich Sebastiano, ins Boot zu steigen.
    »Uns bleibt nicht viel Zeit!«
    Ich beeilte mich, an Bord zu kommen. Sebastiano sprang mit einem eleganten Satz hinter mir her und wieder einmal bewunderte ich seine Wendigkeit. Obwohl ich vor lauter Anspannung kaum richtig atmen konnte, nahm ich wahr,

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