Zeitfinsternis
hatte ich zumindest noch nie etwas davon gehört.
Was die Geschichten betraf: Die Renegaten verfügten über weniger Wissen und Macht als die ,Zauberer’, die ihren Dienst in anderen Ländern taten, weil sie vom Nachschub an Informationen und Material von unten abgeschnitten waren. Von deren Verantwortungen trugen sie keine, aber sie trugen andere – wie die direkte Regierung über einige tausend Menschen. Manche führten Überfälle über die Grenze aus, wie derjenige, von dem von Angel gesprochen hatte, aber das schreckliche Schicksal, das diese Mädchen traf, war in dieser Welt Alltäglichkeit und noch nicht einmal das Schlimmste, was ihnen passieren konnte: Sie mußten sich, vielleicht nur für ein paar Tage, dem Willen eines Mannes fügen, der der absolute Herrscher der Gegend war und der sie besser ernährte, kleidete und behandelte, als sie jemals vorher ernährt, gekleidet und behandelt worden waren. Unter Umständen wurden sie allerdings auch von seinen Soldaten vergewaltigt und später umgebracht, aber selbst das konnte ihnen überall passieren.
„Was wollt ihr?“ fragte der Posten am Haupteingang, der wie der Urtyp jener Sorte von Soldaten aussah, die vergewaltigten und mordeten. Außerdem hielt er eine Armbrust in der Hand, was eine Wiedereinführung war, von der ich noch nichts gehört hatte. Sie war auf meinen Hals gerichtet.
Langsam schlug ich meine Jacke zurück, so daß er meine Pistole sehen konnte. „Ich möchte Eurem Herrn einen Besuch abstatten.“
„Wartet hier“, sagte er und ging weg.
Unter dem wachsamen Blick von einem halben Dutzend Augen – auf den Mauern und in den Fenstern standen noch mehr Schützen – warteten wir.
Nicht übermäßig lange Zeit danach – es mochte ungefähr eine Viertelstunde vergangen sein – kam ein anderer Mann die Treppen herunter auf uns zu.
„Ihr müßt mir Euren Zauberstab geben“, sagte er zu mir. „Hier.“ Er hielt mir ein Tablett hin, auf dem ein zusammengefaltetes Wolltuch lag. „Wickelt ihn damit ein.“
Ich wickelte meine Pistole ein und legte sie auf das Tablett. Ich trug eine zweite in meinem Hemd – jene, die ich meinem Beinahe-Mörder in Verdun abgenommen hatte.
Zu von Angel sagte der Mann: „Laßt Euer Schwert und Euren Dolch hier.“
Der Saarländer sah mich an, öffnete seinen Gürtel und hängte ihn über seinen Sattelknauf.
Wir gingen hinter dem Mann die breiten, kaum zersprungenen Stufen hinauf und in das Bahnhofshotel hinein.
Zwölfter Juni: Die Frau kommt innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden hier an. Das zumindest sagt M ASCHINE . Wenn du das hier liest, solltest du es wissen.
Einige unerwartete Berichte von Beobachtern sind eingetroffen.
Erstens, daß der Beobachter, der als Ersatz für Anders an den lothringischen Königshof geschickt worden ist, den Tod gefunden hat. M ASCHINE behauptet, sie habe mir davon erzählt. Der Tod des Wächters scheint mit dem Mord an Fell im Saarland in Verbindung zu stehen – der Mann, der offensichtlich dafür verantwortlich ist, hat seinen Platz eingenommen. M ASCHINE empfiehlt abzuwarten – dies sei die beste Politik. Abzuwarten, wieviel mehr noch in Niedersachsen, Baden und im Elsaß umgebracht werden…
Zweitens Berichte über merkwürdige Ereignisse an der Oberfläche, wie die früheren Erscheinungen von Pygmäen, Zulus und Affen. Nun sind Berichte eingetroffen, daß Elefanten und Krokodile im ganzen Land herumlaufen und die Bewohner erschrecken. Wieder behauptet M ASCHINE , sie habe mich informiert, und zwar…
… gestern: elfter Juni. In dem Buch hier gibt es darüber keinen Vermerk, und das wäre sicherlich aufgeschrieben worden. Daraus kann ich
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