Zeitreise ins Leben (German Edition)
lagen. Er war zwar ein ganz anderes Kaliber als Rabenhof und nicht so ganz mein Fall , a ber am Ausdruck seiner Augen erkannte ich sofort wie begierig er darauf war, mich näher kennenz u lernen.
„Oh Madame, was für eine Ehre ! Eure Schönheit ist wahrlich … außergewöhnlich “, mei n te er in holprigem Deutsch, aber mit einem italienische n Akzent, der durchaus seinen Charme hatte. Dazu küsste er ausgiebig meine Hand und gönnte sich einen langen Blick in mein D e kolleté.
„Ich nehme doch an, Ihr sitzt in meiner Nähe?“, fragte er höflich und doch so bestimmt, dass es einem Befehl gleich kam. Rabenhof reagierte sofort, nickte zustimmend und gab o f fenkundig sein Einverständnis für ... was auch immer. Betreten machte ich gute Miene zum bösen Spiel. Wobei mir das durch die Droge ganz gut gelang und alle fürs Erste zufrieden schienen . Alle, bis auf die beiden Mätressen des Königs, die mit einem Mal recht übellaunig wirkten. Doch was scherte mich das? Der Zeremonienmeister kündigte sowieso gerade ein paar Ri t ter aus Friedrichs Gefolge an und ließ im Schnelldurchlauf einen ganzen Schwall von seltsamen Namen los. Es blieb also gar keine Zeit, sich die beiden Mätressen genauer anz u sehen oder Mitleid mit ihnen zu haben. Jetzt war die Zeit gekommen Ritter zu bestaunen. Durch ihr spätes Erscheinen und ihrem kraftvollen Gleichschritt setzten sich die Herren auch ganz besonders in Szene. Die Hauptattraktion war und blieb natürlich der König, aber die Ritter beeindruckten die Damenwelt durchaus mit ihren stolzen und muskulösen Ersche i nungen . Den jungen Mädchen stand die Verzückung ins Gesicht geschrieben und den verhe i rateten Damen ein stilles Bedauern , das verständlich war, wenn man die werten Gatten an i h rer Seite betrachtete.
Nach einer kurzen Ansprache von Rabenhof und dem König nahmen alle Platz und das Essen wurde serviert. Es reichte von Fasan im kunstvollen Fede r kleid, über prachtvoll dekorierte Schweineköpfe, bis hin zu Hühnerfleisch, Gemüse und Fisch. Dazu gab es Wein und Wasser in Tonkrügen, sowie Bier in seltsam geformten Humpen. Der Tisch bot eine prächtige Fülle un d war ein Gedicht für die Augen, wenn auch nur für sehr kurze Zeit. Sobald die Menschen anfingen, sich auf das Essen zu stürzen, wurde selbst in Anwesenheit des K ö nigs aus dem hübschen Arrangement ein richtiges Schlachtfeld. Vom Tablett gefallene Teile blieben liegen, vermischten sich mit undefinierbaren anderen Essens resten , verursachten Fettspritzer und Schlieren, wande r ten auf dubiose Weise weiter über den Tisch und landeten irgendwann doch auf einem der Gästeteller. Die Teller der Einzelnen wurden wahllos gefüllt mit dem, was ger a de zu ergattern war. Finger , Hände – ja, ganze Arme – entkamen nur mit schnellem Geschick dive r ser Attacken von Messern und Gabelzinken. Alle waren sie Gegner, denn das Essen glich eine r Schlacht . D er Anblick war für mich absonderlich und erheiternd zugleich. Da wurde Fisch wüst zerkleinert und mit Fleisch gemischt, undefinierbare Pampe mit Gemüse ze r stampft und Süßes mit Saurem vermengt . F ehlte nur noch, dass jemand über all diesen Ha u fen auch noch Tischwein gegossen hätte, nur weil es sowieso schon egal war. Das Essverha l ten im Mittelalter war elementar und wie geschaffen für eine kleine Sozialstudie. Auße r dem drängte sich mir plötzlich die Frage auf, ob diese animali sche Lust in anderen Lebensbere i chen ebenso ausg e lebt wurde wie hier beim Essen. Das brachte mich gehörig ins Schwitzen und trieb mir die Röte ins Gesicht , weil ich automatisch an Rabenhof da cht e . Sofort mahnte ich mich zu Ruhe und sortierte mein E s sen nach Art und Farbe. Es war mein Ausklinken aus lautem Tumult, das Bemühen m ich zu sammeln und das Essen zu g e nießen, selbst wenn es mein letztes sein sollte. D ie zwanghafte Ordnung auf meinem Teller und vermutlich auch mein eigentümliches Verhalten , zog en jedoch die Au f merksamkeit seiner Majestät auf sich. Seine Augen lachten schelmisch, als er eine seiner Mätressen sanft nach hinten drückte, um sich besser mit mir unte r halten zu können.
„Was ist das doch eigentümlich, den Teller in solche Ordnung zu bringen! Sagt mir, Frau von Hochdeutschlan d, schmeckt es denn so besser?“ S ein melodiöse r Akzent rollte ihm sin n lich über die Zunge und machte ihn mir sympathisch . Wahrscheinlich war
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