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Zeitreisende sterben nie

Zeitreisende sterben nie

Titel: Zeitreisende sterben nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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kleinen Baumgruppe in etwa fünfzehn Meter Entfernung, als Luther auftauchte, einen Mantel zum Schutz vor der Kälte fest um die Schultern gewickelt. Sie machten Bilder und widerstanden der Versuchung, ihm die Hand zu schütteln. »Ich mag Rebellen«, bekundete Dave.
    Sie verbrachten zwei Stunden mit Aristoteles, dem sie sich als Gelehrte aus Rhodos vorgestellt hatten (Shels Vorstellung von einem gelungenen Scherz), stellten ihm Fragen zum Lauf der Sterne und hörten bekümmert zu, als er über den Äther und die Sterne und Planeten dozierte, die die Erde in einem komplexen System aus fünfundfünfzig Sphären umkreisten, was, erstaunlicherweise, zumeist die richtige Antwort auf die Frage lieferte, wo all die Himmelskörper zu einem beliebigen Zeitpunkt sein würden. Und er wusste, dass die Erde rund war.
    Allerdings hielt er sie für unvergänglich und unveränderlich.
    Später sagte Shel kopfschüttelnd: »Mir ist noch nie jemand begegnet, der so offenkundig brillant ist und doch alles verkehrt macht.«
    »Das war eine wissenschaftsfreie Zeit«, gab Dave zu bedenken. »Niemand wusste irgendetwas. Mir hat er leidgetan. Zu versuchen, der Orbitalmechanik einen Sinn abzuringen, ohne auch nur ein Teleskop zu haben. Das war wann? 330 vor Christi?« »331.«
    »Ich glaube, wir sollten ein Auge zudrücken.«
    »Ja, obwohl ich dafür hätte sterben können, ihm zu erzählen, dass die Sonne ein Stern ist. Dass er zu klein denkt.«
    »Das dürfte einer der Gründe sein, warum wir das überhaupt nicht tun sollten. Aber du hast recht. Da sitze ich die ganze Zeit mit einer der berühmtesten Gestalten der Weltgeschichte zusammen und denke dauernd, du hast keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    Wohin konnten sie noch reisen? Unter den interessanteren Ereignissen gab es so einige, die mit einem gewissen persönlichen Risiko einhergingen, das keiner von ihnen unbedingt auf sich nehmen wollte: Custers letzte Schlacht, Pearl Harbour, Actium, Hastings, der Teutoburger Wald. »Auf jeden Fall«, sagte Shel, »kann man nicht einfach da auftauchen und dem Schlachtgetümmel zusehen. Selbst wenn wir uns nicht die ganze Zeit hinter einem Baum verstecken müssten, würden wir höchstens einen winzigen Ausschnitt des Geschehens sehen können.«
    Dave war der gleichen Meinung. »Wie wäre es mit der Ermordung des Erzherzogs?«
    Sie wechselten einen kurzen Blick. Der Tod Franz Ferdinands am 28. Juni 1914 in Sarajewo war zweifellos eines der Ereignisse, das sich entscheidend auf die Geschichte ausgewirkt hatte. »Aber«, sagte Shel, »die Aussicht, bei einem Mord zuzusehen, versetzt mich nicht in Begeisterung.«
    »Okay, ja, das ist ein Argument. Ich sage dir, was ich gern täte.«
    »Was denn?«
    »Wie wäre es, wenn wir uns Hamlet ansehen?«
    Shel lachte. »Wenn wir es wann sehen?«
    »Bei der Erstaufführung. Dein Vater hat erzählt, er hat die Erstaufführung von König Lear miterlebt. Wir könnten ihn glatt übertrumpfen.«
    »Wann war das?«
    Sie waren in Davids Haus, also stand dieses Mal er auf, ging zum Computer und klapperte auf der Tastatur.
    »Irgendwann 1600 oder 1601.«
    »Genauer finden wir das nicht heraus?«
    »Niemand weiß es genau. Aber hier ist etwas Interessantes. Shakespeare hat zu Lebzeiten nie etwas veröffentlicht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Die Stücke wurden aufgeführt, aber nicht veröffentlicht. Die Stücke, die wir heute kennen, sind mehr oder weniger Kopien. Vermutlich von Leuten aus dem Globe.«
    »Weißt du was?«, sagte Shel. »Wir könnten zurückreisen und die Originale holen. Uns eines der Manuskripte schnappen. Das dürfte nicht allzu schwer sein. Er muss ja seinen Schauspielern eine Vorlage liefern.«
    »Und was machen wir dann damit? Schicken wir es einer Shakespeare-Spezialistin und ruinieren deren Ruf? Lass uns einfach das Stück genießen.«
    »Einverstanden.«
    »Falls wir herausfinden, wann es aufgeführt wurde.«

    Sie mussten mehrere Reisen unternehmen, bis sie das genaue Datum ermittelt hatten. 11. April 1601.
    Das Globe war ein Amphitheater. Es gab Sitzplätze in geschützten Logen, die sich über drei Stockwerke verteilten und recht teuer waren. Billiger war der Eintritt zum »Parkett«, dem nicht überdachten Innenraum, in dem das Publikum die Aufführung je nach den herrschenden Umständen im Sitzen oder im Stehen verfolgen konnte.
    Die Bühne war etwa eineinhalb Meter erhöht erbaut worden. Sie reichte in den Publikumsbereich hinein. Ihr hinteres Ende schützte ein auf Säulen ruhendes Dach. An

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