Zeitreisende sterben nie
Damals war ich noch in der Highschool, aber ich habe ein bisschen was von der Sprache aufgeschnappt, also fange ich nicht bei null an.«
»Und jetzt willst du üben?«
»Wenn du die Geduld dazu aufbringst.«
»Du darfst über mich verfügen, Shel.«
»Gut. Kein Englisch mehr heute Abend.«
Wenn es jemanden gab, dem David vertrauen konnte, dann war es Katie Gibson. Katie war Rettungsschwimmerin beim örtlichen CVJF. Sie waren nicht allzu häufig miteinander ausgegangen, aber er und Katie waren Freunde.
Beide warteten auf die große Liebe. Und solange die nicht auftauchte, füllten sie die überflüssige Zeit miteinander aus. Sie hatten sogar ein paar Mal miteinander geschlafen. Aber die Chemie stimmte nicht so recht. Dave hatte Katie sogar von seinem Interesse an Helen erzählt, obwohl sie einander nie begegnet waren. Sie war entsetzt, als er ihr erzählte, dass er Helen Shel vorgestellt hatte, wünschte ihm Glück und riet ihm, ein bisschen forscher zu Werke zu gehen. »Geh aufs Ganze«, hatte sie gesagt. »Heuer eine Blaskapelle an, die ihr auf Schritt und Tritt folgt, wenn es sein muss.«
»Das würde sie in die Flucht jagen«, hatte Dave ihr geantwortet.
»Nicht, wenn da irgendwas ist. Wenn sie dich mag, musst du etwas unternehmen. Hau sie vom Hocker. Wenn sie wirklich nicht an dir interessiert ist, kannst du machen, was du willst, es wird sich nicht ändern.«
»Du meinst also, ich habe nichts zu verlieren.«
»Exakt.«
Dennoch hatte er keine Blaskapelle angeheuert, obwohl die einen prachtvollen Anblick geboten hätte, hätte sie vor ihrem Büro im Medical Plaza Stellung bezogen.
Und natürlich hatte er Katie auch nichts von den Zeitreisen erzählt. Wie auch anderen gegenüber, war er nahe dran gewesen. Er hatte mit ihr telefoniert, und sie hatten sich über neue Filme unterhalten, als sie ihm erzählt hatte, dass die Churchill-Biografie Englands größte Stunde in wenigen Wochen in die Kinos käme und sie den Film gern sehen wollte. Eines der Dinge, die er an ihr mochte, war, dass sie keine besondere Vorliebe für Frauenfilme hatte.
Katie war viel eher an Konflikten interessiert. Besonders an solchen, in denen ein gewöhnlicher Mann oder eine gewöhnliche Frau beschloss, dass es reichte, und er oder sie es mit was immer in diesem Fall die böse Macht darstellte, aufnahm, ob es nun der örtliche Mob war, korrupte Politiker oder nur der Schläger von der anderen Straßenseite. »Hört sich interessant an«, sagte sie.
Und er stellte sich vor, er würde antworten: Katie, ich habe mit Churchill gesprochen. 1931. Wirklich.
» Warum lachst du ?«, fragte sie. » Wenn du nicht willst...«
Er hatte überlegt, wie sie wohl reagieren würde. »Nein, nein«, fiel er ihr nun ins Wort. »Das hört sich gut an. Lass uns hingehen.«
» Und was war so witzig ?«
»Ah, nichts. Ich war in Gedanken woanders.« Ein neuer Supermanfilm kam ebenfalls gerade in die Kinos. Dave hatte bisher nie darüber nachgedacht, aber Clark Kent dürfte es furchtbar schwer gehabt haben, sein Geheimnis zu wahren. Besonders in Anbetracht von Lois' arroganter Haltung.
Dave schickte Shel einige italienische Filme und schlug vor, er solle sie sich so oft ansehen, bis er den Dialogen folgen könne. Inzwischen frischte er seine eigenen Kenntnisse auf, indem er einige italienische Klassiker aus dem siebzehnten Jahrhundert im Original las. Jeden Abend zog er sich mit Machiavelli und dem Dichter Giambattista Marino zurück.
Er las La Reina di Scotia, eine Tragödie über die Prozesse gegen Maria Stuart, die Königin von Schottland, von Federico della Valle. Er kämpfte sich durch Dante und las zum ersten Mal die ganze Göttliche Komödie, statt sich schlicht auf Das Inferno zu beschränken. Als er fertig war, verstand er, warum die Leute zwar noch immer Das Inferno lasen, die anderen beiden Bücher aber ignorierten. Er schlug Shel vor, gemeinsam ein paar Opern anzusehen. »Ich mag keine Opern«, sagte Shel, aber sie luden sich L'Orfeo, Pagliacci und Lucrezia Borgia herunter.
Außerdem, für den ersten Abend, Don Giovanni. Sie holten sich Pizza, luden Helen und Katie ein und machten eine Party daraus. Aber Shel und Katie litten sichtlich, als die Oper lief, und Shels Italienisch wurde durch sie auch nicht besser.
Zwei Tage später versuchten sie sich an Pagliacci, dieses Mal ohne weibliche Gesellschaft. Shel brachte den größten Teil des Abends damit zu, den Bildschirm finster anzustarren. »Versuch es doch wenigstens mal«, sagte Dave.
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