Zeitreisende sterben nie
zum ersten Mal erkannte Dave den künftigen Premierminister.
»Vielen Dank, Sir«, sagte er. Die Stimme war nur ein Schatten derer, an die Dave sich aus den Aufnahmen vom Zweiten Weltkrieg erinnerte. Der Stimme, die Hitler herausgefordert und sich in deren finsterstem Augenblick an die ganze Welt gewandt hatte. »Ich stehe in Ihrer Schuld, Sir.«
»Ich denke, wir stehen in Ihrer, Mr Churchill.«
Kapitel 8
Die Vorstellung, ein Bekleidungsstil habe sich in
diesem oder irgendeinem Lande die Würde einer Kunst
zueigen gemacht, ist nicht haltbar.
Derzeit begnügen sich die Leute damit zu tragen,
was sie bekommen können.
Wie schiffbrüchige Matrosen ziehen sie an,
was sie am Strand finden, und schon aus geringer Distanz,
sei sie räumlich oder zeitlich, verlachen sie einander
ob der Maskerade des jeweils anderen.
Henry Thorkau, Walden
Der Konverter brachte sie sechs Sekunden nach ihrer Abreise zurück in Davids Haus. Es war immer noch kurz vor neun am Samstagmorgen.
»Danke, Dave«, sagte Shel. »Ich bin froh, dass du mitgekommen bist.«
Dave hatte immer noch Probleme zu begreifen, was geschehen war. »Mein Gott«, sagte er. »Ist das dein Ernst? Ich kann es immer noch nicht fassen.«
»Ich weiß. Und ich bezweifle, dass du dich je daran gewöhnen wirst.« Er strecke die Hand nach dem Konverter aus, der immer noch an Daves Gürtel klemmte.
»Du willst nicht, dass ich ihn behalte?«
»Das wäre keine gute Idee, Dave.«
»Ich werde ihn schon nicht verlieren.«
»Dave.«
»Oder missbrauchen.«
»Keine gute Idee. Nicht, dass ich dir nicht vertrauen würde, aber...«
»Okay.« Er löste das Gerät von seinem Gürtel und gab es Shel. »Wann willst du dich auf die Suche nach deinem Vater machen?«
»Ich will noch ein bisschen warten. Es hat ja keinen Sinn, dorthin zu reisen, solange ich kein Italienisch beherrsche.«
»Vielleicht solltest du es zuerst bei Ben Franklin probieren.«
»Ich glaube, die beste Aussicht haben wir bei Galileo.«
»Okay. Dann wirst du Sprachunterricht nehmen müssen.«
»Das ist meine Absicht.«
»Gut. Also, wenn du das getan hat und reisebereit bist...«
»Ja?«
»Dann bin ich eingeladen, dich zu begleiten, richtig?«
»Natürlich. Darum bin ich zu dir gekommen. Du wirst doch ...«
»Klar.«
»Okay. Ich gebe dir Bescheid, wenn ich startbereit bin.« Er machte sich auf den Weg zur Tür.
»Shel, eine Frage noch. Was passiert, wenn wir mitten in der Luft eintreffen? Stellt einen dieses Ding immer auf dem Boden ab?«
»Die Frage ist mir nicht in den Sinn gekommen. Aber wir können sie ihm stellen, sobald wir ihn gefunden haben.«
Er öffnete die Tür. Hielt kurz inne. »Dave? Danke.«
»Nichts zu danken.«
»Und nicht vergessen: Du darfst es niemandem erzählen, klar?«
»Absolut.«
»Das wird nicht leicht werden. Ich möchte einfach jedem, den ich kenne, von all dem erzählen.«
»Verständlich. Dieser nächtliche Abstecher war ein einmaliges Erlebnis.«
Shel behielt uneingeschränkt recht. Dave wollte jedem davon erzählen. Alten Freunden, seinen Verwandten, seiner Teilzeitfreundin Katie Gibson, den Jungs aus seiner Bowlingmannschaft, dem Fachbereichsleiter an der Universität. Hören Sie mal, Professor, das werden Sie nicht glauben, aber raten Sie doch mal, wo ich heute früh war. Oder nein, das war nicht ganz korrekt. Raten Sie, wo ich 1931 eines Nachts war, lange bevor Sie geboren wurden, und mit wem ich gesprochen habe.
Er hätte etwas von der Reise mitbringen sollen. Und plötzlich fiel ihm ein, dass er das getan hatte. Er griff in seine Hosentasche und zog eine Quittung aus dem Lenox Hill Hospital über eine Summe hervor, die heutzutage kaum reichen würde, eine anständige Mahlzeit in einem Restaurant zu bezahlen. Sie war ausgestellt auf den 13.
Dezember 1931.
Und sah aus, als wäre sie erst in der letzten Stunde geschrieben worden.
Morgen würde er einen passenden Rahmen kaufen. Dieses Baby sollte einen Ehrenplatz über seinem Schreibtisch bekommen.
Er hätte versuchen sollen, Churchill zu überreden, sie für ihn mit seinen Initialen zu versehen. Er hätte Bilder machen sollen.
Hätte er an Helen gedacht, er hätte erkannt, dass er immer noch mehr als genug Zeit für das zufällige Zusammentreffen im Serendip hatte. Aber sie fand nie den Weg in sein Bewusstsein.
Es war ihm kaum möglich, seinen Montagsunterricht zu überstehen. Der Kurs »Latein für Fortgeschrittene« las Plutarchs Biografien von Demosthenes und Cicero, und Dave konnte sich
Weitere Kostenlose Bücher