Zeitspringer
übte natürliche Körperfunktionen aus. Quellen biß sich auf die Unterlippe. Mit einer hastigen, eckigen Bewegung ließ er die Reservespulen laufen und hörte ab, was Norm Pomrath getrieben hatte, seit Brogg ihn überwachen ließ.
Quellen konnte sich natürlich keinen direkten Ablauf leisten. Er mußte auswählen. Er überflog das Band und fand bemerkenswertwenig Gespräche. Pomrath war gestern abend in einem Schnüffellokal gewesen. Dann war er heimgegangen. Er hatte mit Helaine gestritten. Quellen lauschte.
POMRATH: Ist mir völlig egal. Ich brauche Entspannung.
HELAINE: Aber wir haben mit dem Essen auf dich gewartet. Und du kommst vollgepumpt mit Drogen daher. Du hast nicht einmal Appetit.
POMRATH: Na und? Ich bin hier. Her mit dem Essen! Du programmierst, ich esse!
So ging es weiter, alles unerbittlicher Alltag und schrecklich langweilig. Quellen ließ fünfzehn Minuten vorlaufen und stellte fest, daß der Streit immer noch weiterging, untermalt jetzt vom Schluchzen seines Neffen und den verärgerten Kommentaren der kleinen Marina. Es quälte Quellen, daß die Familienstreitigkeiten der Pomraths so alltäglich waren. Er ließ etwas vorlaufen. Das Ohr hatte andere Laute aufgefangen. Schweres Atmen.
HELAINE: Tu deine Hand da wieder hin.
POMRATH: O Schatz, das weißt du doch.
HELAINE: Genau da. Oh! O Norm!
POMRATH: Bist du schon soweit?
HELAINE: Ein bißchen noch. Laß mir Zeit, das ist so schön, Norm.
Quellen starrte beschämt auf den Boden. Eine vage inzestuöse Lust erfaßte ihn, als er den Liebesakt der Pomraths belauschte. Er griff nach dem Schalter, zögerte, hörte plötzliche Lustschreie, biß die Zähne zusammen, als die Worte auf dem Band intimer wurden und sich in einer Flut stöhnender Seufzer auflösten.
Den Teil sollte ich löschen, dachte Quellen. Ich sollte wenigstens nicht selbst lauschen. Wie abscheulich neugierig wir manchmal sind!
Mit einer ruckhaften Bewegung ließ er das Band weiterlaufen. Nichts als Schlafgeräusche jetzt. Dann Morgengeräusche. Kinder, die herumtappten. Pomrath unter dem Molekularbad. Helaine gähnte und fragte nach den Frühstückswünschen.
POMRATH: Ich gehe heute früh weg.
HELAINE: Glaubst du, daß aus dem Stellenangebot etwas wird?
POMRATH: Was für ein Stellenangebot?
HELAINE: Du weißt schon, der Streifen, den du hattest. Mit dem Hinweis auf den Mann, zu dem du gehen sollst, wenn du arbeitslos bist.
POMRATH: Ach so, der.
Quellen wartete auf mehr. Die Telemetrie verriet ungewöhnliche Erregung bei Pomrath, eine Pulsbeschleunigung, eine Steigerung der Hauttemperatur. Trotzdem wurde das Gespräch ohne Hinweis auf Lanoy abgebrochen. Quellen ließ erneut vorlaufen. Die Zeituhr teilte ihm mit, daß er sich dem Echtzeit-Bereich näherte. Quellen schaltete sich wieder ein.
POMRATH: Sie können mich zu Lanoy bringen, ja?
Der Monitor war darauf programmiert, Alarm auszulösen, sobald der Name ›Lanoy‹ fiel. Es gab eine kaum merkliche Pause, als der Computer die Wellen von Pomraths Worten analysierte, dann wurde der Alarm ausgelöst. An der Steuertafel blinkte eine rote Lampe. Im ganzen Raum schrillten Signale. Eine Warnglocke ertönte. Pöng. Pöng.
Drei Techniker kamen herangestürzt.
Pöng.
»Schon gut«, sagte Quellen. »Ich überwache das. Schalten Sie die verdammte Alarmanlage ab.«
Pöng. Pöng.
Quellen beugte sich vor, seine Hände waren schweißfeucht, während er zuhörte, als sein Schwager den höchsten Verrat an seiner Familie beging.
Pomrath hatte an diesem Morgen eine beträchtliche Strecke zurückgelegt, natürlich ohne zu ahnen, daß alles, was er tat, in die Zentrale des Sekretariats Verbrechen übertragen wurde und man sogar seinen Herzschlag registrierte.
In den letzten Tagen hatte er viele Fragen gestellt, zumeist, bevor das Ohr angebracht worden war. Die Minizettel, die Lanoys Dienste anpriesen, waren weit verbreitet. Informationen über den wahren Aufenthalt Lanoys waren nicht so leicht zu bekommen. Aber Pomrath war beharrlich.
Er war jetzt entschlossen, fortzugehen.
Er hielt es nicht mehr aus. Helaine und die Kinder taten ihm natürlich leid. Er würde sie vermissen. Trotzdem, er hatte genug und spürte, daß er am Rand des psychischen Zusammenbruchs stand. Die Wörter verloren ihren Sinn für ihn. Er starrte oft eine halbe Stunde lang auf ein Fakband und versuchte die Bedeutung der Reihe von Symbolen auf dem gelben Blatt zu erkennen. Sie waren für ihn wimmelnde Mikroben geworden. KLOOFMAN: ARBEITSLOSIGKEIT. STEUERSATZ.
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