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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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sah, halb geängstigt, aber sie lächelte. »Nein.«
    »Lower Broadway.«
    »Nein! Unmöglich!« Wieder blickte sie die Straße hoch und runter, und nun war das Lächeln verschwunden. »Oh Si, hier erkenne ich ja überhaupt nichts wieder! Ich …«
    »Sachte, sachte«, sagte ich, nahm ihren Arm, und wir gingen schnell zwei Blocks weiter. Da verlangsamte Julia plötzlich ihre Schritte, schockiert schlug sie die Hand auf den Mund, und wir starrten auf die andere Straßenseite, wo die winzig kleine Trinity Church verloren in der Glas- und Steinschlucht der Wolkenkratzer stand. Langsam wanderte ihr Blick nach oben – hinauf, immer weiter hinauf zu den Türmen, die dieses einstmals höchste Gebäude auf Manhattan Island wie einen Zwerg erscheinen ließen.
    Schließlich drehte sie sich zu mir um. »Es gefällt mir nicht, Si. Ich finde es schade, Trinity so eingezwängt zu sehen!« Dann blickte sie wieder über die Straße und hinauf zum Himmel und den hohen Häusern. Und als sie sich mir wieder zuwandte, lächelte sie. »Aber ich würde gern auf eines dieser Gebäude steigen.« Noch immer lächelnd schloss sie für einen Augenblick die Augen und schüttelte sich vor gespieltem Entsetzen. »Broadway – wenigstens ist er so laut wie immer.« Wieder blickte sie sich um. »Seltsam, wenn man kein einziges Pferd sieht.« Plötzlich bemerkte sie es. »Si, sie fahren ja alle in eine Richtung!«
    An der Ecke bekamen wir ein Taxi; während wir zur Nassau Street fuhren, erklärte ich ihr das Prinzip der Einbahnstraßen. Julia besah sich aufmerksam das Innere des Taxis, und ich senkte meine Stimme, damit der Fahrer mich nicht hören konnte. »Das ist ein Automobil.«
    »Ich weiß!« Auch sie sprach jetzt leise. »Ich erinnere mich an deine Zeichnung vom Madison Square; ich habe es sofort wiedererkannt. Das macht Spaß!« Anerkennend prüfte sie die Sitze. »Ich wollte, Tante Ada könnte das sehen. Schau!« Sie zeigte mit dem Finger nach draußen; hinter uns hatte sie eine winzig kleine rote Limousine gesehen. »Wie drollig! Und der Fahrer ist eine Frau! Wie gern hätte ich auch einen!« Das Taxi bremste vor der Ampel an der Nassau Street ab; sie schaltete von Grün auf Rot, und Julia verstand auf Anhieb. »Sehr klug. Warum, um alles in der Welt, sind wir nicht auf diese Idee gekommen? Aber natürlich sind das elektrische Lichter, stimmt das, hinter dem farbigen Glas?«
    Wir stiegen aus, wo die Nassau auf die Park Row trifft, und baten den Taxifahrer auf uns zu warten. Ich zeigte die Park Row zum Broadway hinunter. »Dort unten stand das Astor Hotel, Julia. Sie haben oben an der 44th Street ein neues gebaut, und nun ist auch das verschwunden.« Und ich zeigte auf ein Gebäude, das ich, glaube ich, noch nie zuvor wahrgenommen hatte. »Und hier hat das Postamt gestanden.« Jedes Mal, wenn ich irgendwohin deutete, drehte sie gehorsam den Kopf, hörte meine Worte und nickte, aber ich glaube nicht, dass es ihr möglich war, wirklich zu verstehen, dass dort das Astor und hier das Postamt gestanden hatten.
    Aber dann rief sie freudig überrascht ein kleines, plötzliches ›Oh‹ aus, als sie die City Hall und das Court House erblickte, die beide noch genauso aussahen wie damals, als wir sie zum letzten Mal gesehen hatten; nun erkannte sie, dass der Park gegenüber der Straße der City Hall Park war. Auch er war, so weit ich das beurteilen konnte, unverändert. Wenn es kleinere Veränderungen gegeben hatte, was vermutlich der Fall war, dann konnten wir sie jedenfalls nicht erkennen. Julia schaute über die Straße und lächelte ängstlich; einen Augenblick lang glänzten Tränen in ihren Augen, doch dann kehrte die Freude über das, was sie sah, wieder in sie zurück. Sehr leise sagte sie: »Si, ich bin froh, dass sich das nicht verändert hat. Es tut gut, das zu sehen.«
    Zum ersten Mal konnte sich Julia nun orientieren und wusste, wo wir uns befanden; unvermittelt blickte sie mich an. Ich nickte zustimmend und wies den Taxifahrer an, uns zu folgen, und so gingen wir zu Fuß die Park Row entlang, wo immer noch, allerdings stark verändert, das Times Building stand. Und dann blieben wir vor dem Haus stehen, das wir hatten niederbrennen sehen. Ein Gebäude, das nun ebenso alt wie damals das Welt -Gebäude aussah, stand an seinem Platz. Es war ebenso unauffällig und glich ihm auf unglaubliche Weise; es sah aus, als sei es unmittelbar nach dem Brand wieder aufgebaut worden.
    Wir standen davor und starrten es an. In meinen Gedanken sah ich

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