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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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stiegen ein und fuhren den Broadway hinauf, über den Washington Square und hinüber zur 14th, glaube ich, dann auf der West Street den Hudson entlang zu den Docks.
    Wir gingen die Treppe zum Pier hinunter, eine teilweise überdachte, ansonsten aber offene Plattform aus dicken, rohen Planken. Soweit ich weiß, gibt es sie immer noch. Unser Schiff war draußen auf dem Fluss bereits in Sicht. Es drehte zum Pier bei. Einen Moment lang, während es die Vierteldrehung machte, stieß es schneller als zuvor schwarzen Rauch aus – ich fand das großartig –, und ich starrte wie hypnotisiert zu ihm hinüber. Sehr schnell ließ der Rauch nach und verschwand fast ganz, während die Schlepper ihre Arbeit begannen und das Schiff zogen. Nun verströmten deren Schornsteine schwarzen Rauch, langsam brachten sie es herein, sehr langsam, und je näher sie kamen – sie schienen direkt auf den Pier zuzusteuern –, desto langsamer wurden sie. Ich beobachtete sie, ließ sie keinen Augenblick aus den Augen und konnte immer noch nicht glauben, dass es etwas so Großes wirklich gab. Die Schlepper drehten es nun leicht bei, und ich sah es nicht mehr von vorne. Ich sah jetzt seine Schornsteine, die, wenn ich mich recht erinnere, beige gestrichen waren und mit einem schwarzen Band oben abschlossen. Vier Schornsteine, die fast ineinander übergingen, wie die Latten eines Zauns, den man aus einem spitzen Winkel betrachtet. Es wurde größer. Und größer. Gewaltiger und gewaltiger, je näher es kam, fast furchterregend groß, bis – es lag nun parallel zum Dock, nur einige wenige Meter von uns entfernt – bis es so groß war, seine Seiten so hoch hinaufragten, dass ich die Aufbauten nicht mehr sehen konnte. Ich stand da und staunte über dieses gewaltige Ding.
    Der Schlepper weit draußen am Heck des Schiffes brachte plötzlich das Wasser zum Kochen, riesige wirbelnde Strudel aus öligen grauen Blasen. An den anderen Seiten schoben die Schlepper es mit rollendem Dröhnen seitwärts; das schmutzige Hafenwasser zwischen Schiff und Dock wurde zusammengedrückt und immer schmaler, ein Meter, zehn Zentimeter, ein Zentimeter, und dann – ganz leicht, zart wie ein Elefant, der eine Erdnuss aufnimmt – legte es an. Durch die Sohlen meiner Schuhe spürte ich die Bewegung durch das ganze Dock gehen, hörte das Ächzen und Stöhnen der Planken und Nägel und bekam eine Vorstellung von dem enormen Gewicht, das uns soeben kaum berührt hatte.
    Das Schiff stand nun still, riesige Taue wurden aus seitlichen Öffnungen nach unten gelassen, die von wartenden Männern an den Pollern befestigt wurden. Eine Gangway, die zu seinem schwarzen Rumpf hinaufreichte, wurde eilig herbeigeschafft, und bevor sie noch richtig befestigt war, lief bereits ein Schwarm uniformierter Dienstmänner in weißen Jacken und Kappen mit schwarzen Schilden die Planken hinauf.
    Fast in demselben Moment, mit kaum einer Minute Verzögerung, kamen die ersten Passagiere der Ersten Klasse herunter; Dienstmänner trugen das Handgepäck, auf dem farbige Aufkleber mit den Namen von Hotels aus aller Welt klebten. Glauben Sie nicht, dass diese Leute in ›Freizeit‹-oder ›Sport‹-Kleidung die Gangway herunterkamen, wie heutzutage Touristen aus Hawaii, die Blumengirlanden um den Hals tragen. Es gab damals überhaupt keine Freizeitoder Sportkleidung, wenn man den weißen Sportdress nicht dazurechnet, in dem Männer damals Tennis spielten. Die Leute, die von diesem großen Schiff kamen – manche lächelten, andere blickten hochmütig – waren für die Ankunft in New York gekleidet, der City, der Metropole. Die Frauen trugen Hüte. Riesige Wagenräder, deren Krempen so breit waren wie kleine Schirme. Sie können mir ruhig glauben. Andere besaßen juwelenbesetzte Turbane aus kompliziert gefalteten Tüchern, an denen Federn steckten. Sie saßen fast auf den Augenbrauen. Und trugen Kleider, die gerade über die Fußknöchel gingen, und solche … deren Saum auf irgendeine Art zusammengezogen war. Kleider zum Stolpern, ja genau so. Sie trugen Mäntel, manche aus Pelz oder mit Pelz besetzt. Diese Frauen, glauben Sie mir, waren perfekt angezogen. Gekleidet, nehme ich an, für die Augen all derer, die unten am Kai standen, und für die Reporter mit den Presseausweisen, die sie sich an die Hutbänder gesteckt hatten. Sie waren bereits vom Lotsenschiff aus zugestiegen und interviewten nun einige der Ankömmlinge.
    Die Männer trugen Anzüge, die meisten jedenfalls. Mit Westen und

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