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Zeltplatz Drachenloch

Zeltplatz Drachenloch

Titel: Zeltplatz Drachenloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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kein hartes Wort. Allen war klar, daß sie diese Milde Immerfroh zu verdanken hatten. Am meisten wunderte sich Kores über diese neuartige Bestrafung. Er saß kopfschüttelnd auf seinem Platz und wurde nicht klug aus dem, was geschehen war. Sogar Lehrer Scherenmann tat, als wüßte er nichts. Und das war mehr als eigenartig, das war höchst sonderbar. Kores war über den sanften Ausgang nicht glücklich. Eine handfeste Strafe wäre ihm beinahe lieber gewesen. Eine Strafe war eine Strafe, sie saß man ab, und sie verpflichtete zu nichts. Das aber, diese unheimliche Milde, die war schwer zu ertragen, auf weite Sicht nämlich. War man durch sie doch verpflichtet, sich wirklich zu bessern. Schließlich hatte man ja noch ein Ehrgefühl, und nie würde er es übers Herz bringen, Immerfroh und den alten Direktor zu enttäuschen. Das stand fest wie Eisenbeton. Leicht würde es nicht sein; und das war es, was ihm Sorgen bereitete.

    Immerfroh nahm ein Blatt Papier, spannte es in seine Schreibmaschine und schrieb. Er schrieb langsam und bedächtig, machte Pausen, dachte nach oder hörte in den Garten hinaus, sah zum nächtlichen Himmel hinauf, auf dem schon die ersten Sterne schimmerten, stopfte sich seine Pfeife, zündete sie an und schrieb weiter.

    Mein lieber Johannes!

    Du wunderst Dich wohl, daß ich Dir schreibe, habe ich doch schon so lange nichts von mir hören lassen. Heute traf ich jedoch unseren alten Freund Orth, der jetzt Lehrer in Liliendorf ist. Ich machte nämlich mit meiner Sechsten einen Ausflug dorthin. Auf dem Fußballplatz des Liliendorfer Sportklubs, wo meine Klasse gegen die Siebte spielte (und 3:2 gewann), sprach ich mit Orth über manches. Auch darüber, daß ich mit meiner Gruppe von Buben gern ein Sommerlager abhalten wolle, so ein richtiges Dorf der Buben, verstehst Du? Und Orth, der ja auch ein begeisterter Wanderer ist, sagte mir sofort: »Da mußt du dem Johannes schreiben, der sitzt in St. Georgen, dort ist es herrlich. Ihr habt dort alles, was ihr braucht: Wälder, Berge, einen See, die Ister , ein herrliches Forellenwasser übrigens, und die Buben werden begeistert sein .« Das sagte Orth, und jetzt kommt meine Bitte: Glaubst Du, daß St. Georgen wirklich ein geeigneter Ort für meine Pläne wäre? Glaubst Du, daß es meinen Stadtbuben dort gefallen wird und daß eure Bauern nichts dagegen haben werden, wenn ihr Dorf ab und zu von einer Schar munterer Kerle bevölkert wird?

    Wenn Du das, lieber Johannes, glaubst, dann frage doch bitte gleich den Bürgermeister und alle, die in Frage kommen, ob wir nach St. Georgen kommen dürfen. Ein geeigneter Lagerplatz wird sich doch — so hoffe ich — finden lassen. Wenn Du auch da gleich mit dem Förster ein wenig sprechen könntest?

    Du siehst also, daß ich eine ganze Menge von Dir verlange. Du weißt jedoch, daß ich es für meine Buben tue, und ich weiß wieder, daß Du das alles verstehst. Schreibe mir also bitte bald, was Du über meinen Plan denkst!

    Ich selbst würde mich sehr freuen, wenn ich den Ferien mit Dir wieder einmal Zusammenkommen könnte.
    Sei herzlich gegrüßt!

    Dein alter Florian

    Immerfroh las den Brief noch einmal durch, nahm dann einen Umschlag und schrieb die Adresse darauf.

    Herrn
    Lehrer Johannes Gradwohl
    St. Georgen

    Der Postbeamte, der die Briefe sortierte, stutzte, als er Immerfrohs Brief sah.
    St. Georgen, dachte er. St. Georgen und keine weitere Bezeichnung. Das war schwierig. Es gab insgesamt neun Ortschaften im ganzen Land, die St. Georgen hießen. Er drehte den Brief um. Kein Absender. Auch das noch! Da der Postbeamte aber in der Nähe von St. Georgen im Tal jedes Jahr auf Sommerfrische war, schrieb er »im Tal« dazu. Vielleicht stimmte das. Da er aber doch nicht ganz sicher war, machte er hinter »Tal« ein Fragezeichen.
    Der Briefträger in St. Georgen im Tal kannte natürlich keinen Lehrer Johannes Gradwohl. Er schrieb deshalb auf den Brief »hierorts unbekannt« und drückte den Poststempel daneben. »Im Tal« strich er durch und setzte »bei Neustadt« darüber.
    In St. Georgen bei Neustadt gab es aber auch keinen Lehrer Johannes Gradwohl. Man schickte daher den Brief nach St. Georgen am Forst.
    In St. Georgen am Forst kratzte sich der Amtsvorsteher des Postamtes den Kopf, denn auch dort gab es keinen Lehrer Gradwohl. Da der Brief aber schon »im Tal«, »bei Neustadt« und »am Forst« war, konnte es nur mehr St. Georgen »an der Weinstraße«, »am Paß«, »bei Furth«, »am See«, »an der Ister «

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