Zentauren-Fahrt
doch ihre Magie überhaupt nicht einsetzen! Sie sind ja völlig hil f los!«
Das war zwar eine Übertreibung, aber dazu neigte sie eben, wenn sie aufgeregt war. Weder Trent noch Iris waren völlig hilflos, auch ohne Magie nicht. Der König war ein ausgezeichneter Schwer t kämpfer, und die Königin besaß einen wunderbar gerissenen Verstand. »Vergiß bitte nicht, daß er immerhin zwanzig Jahre dort gelebt hat, bevor er hier König wurde. Er kennt sich dort aus.«
»Aber er ist nicht zurückgekommen!«
Das konnte Dor nicht widerlegen. »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, gestand er.
»Wir müssen sie suchen«, sagte sie. »Sag bloß nicht wieder nein.« Und ihre Augen glitzerten derart, daß Dor ihr nicht zu widerspr e chen wagte.
Eigentlich war es ja recht einfach. Alles war besser als diese u n gewisse Lage. »Also gut. Aber ich muß dem Ältestenrat davon Mitteilung machen.« Denn die Ältesten waren während der Abw e senheit des Königs für das Königreich verantwortlich. Sie kü m merten sich um Verwaltungsangelegenheiten und mußten einen neuen König wählen, falls dem alten etwas zustieß. Als der vorige Monarch, der Sturmkönig, gestorben war, hatten sie Trent zu se i nem Nachfolger gemacht. Dors Großvater Roland war einer der führenden Ältesten.
»Gleich morgen früh!« sagte sie und blickte ihn herausfordernd an.
»Gleich morgen früh«, stimmte er zu. Sie hatte ihn zwar zum Handeln gezwungen, aber er war froh, die Entscheidung getroffen zu haben.
»Soll ich heute nacht bei dir bleiben? Ich habe die Hufabdrücke gesehen.«
Dor überlegte. Die sicherste Methode, Nachtmahre zu bannen, bestand darin, daß man während des Schlafs angenehme Gesel l schaft hatte. Doch Irene war jetzt zu hübsch und zu entgege n kommend: Wenn er sie heute nacht küssen sollte, würde sie ihn nicht beißen. Das machte ihn vorsichtig. Der Gute Magier Humfrey hatte ihm einmal gesagt, daß es männlicher sein konnte, das Angebot einer Frau abzulehnen, als es anzunehmen; Dor hatte diesen Rat zwar nicht so recht verstanden, doch nun dämmerte es ihm, was damit gemeint gewesen sein konnte. »Nein«, sagte er bedauernd. »Ich fürchte mich zwar vor den Nachtmähren, aber vor dir fürchte ich mich noch mehr.«
»He!« sagte sie erfreut. Dann küßte sie ihn, ohne zu beißen, und verließ ihn in einer Parfümwolke.
Dor saß eine Weile da und wünschte sich, daß Irene doch die ganze Zeit so sein könnte: ohne schlechte Launen, ohne raffinie r tes Spielen mit dem Oberkörper, ohne angebliche Mißverständni s se, einfach nur mit einer ernstgemeinten und halbwegs reifen B e sorgtheit. Aber natürlich trat ihre Nettigkeit auch nur in Phasen auf, die wieder von anderen Phasen abgelöst wurden.
Immerhin hatte seine Entscheidung auch ihr Gutes gehabt: In dieser Nacht suchten sich die Nachtmahre ein anderes Revier und ließen ihn in Frieden schlafen.
»Kannst du mir den Rücken freihalten?« meinte er am nächsten Morgen zu Irene. »Es wäre mir lieber, wenn die Leute nicht wü ß ten, wo ich bin, mit Ausnahme des Reisezauberers.«
»Natürlich«, erklärte sie. Wenn die Leute erfuhren, daß er sich insgeheim mit einem der Ältesten beriet, würden sie merken, daß irgend etwas nicht in Ordnung war.
Er suchte seinen Großvater Roland auf, der mehrere Tagesreisen von der Großen Spalte entfernt im Norddorf wohnte. Früher ha t ten die Könige von Xanth dort residiert, bis Trent Schloß Roogna wiederhergestellt hatte. Er marschierte den gut gepflegten Weg entlang und klopfte an die bescheidene Tür.
»Ach, Großvater!« rief Dor, als der kräftige alte Mann in der Tür erschien. »König Trent ist etwas zugestoßen, und ich muß ihn suchen gehen.«
»Das ist unmöglich!« erwiderte Roland streng. »Der König darf Schloß Roogna nicht länger als einen Tag verlassen, ohne einen anderen Magier als Nachfolger zu bestimmen. Im Augenblick gibt es keine anderen Magier, die den Thron besteigen würden, also mußt du dort bleiben, bis Trent zurückgekehrt ist. So will es das Gesetz von Xanth.«
»Aber König Trent und Königin Iris sind nach Mundania g e reist!«
»Nach Mundania!« Roland war genauso überrascht wie es Irene gewesen war. »Kein Wunder, daß er sich nicht mit uns beratschlagt hat! Das hätten wir niemals zugelassen.«
Also hatte die Art und Weise, in der König Trent Dor für eine Woche zum Üben bestimmt hatte, durchaus Methode gehabt. Trent hatte den Ältestenrat umgangen! Doch im Augenblick hatte Dor
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