Zentauren-Fahrt
da sie wir k lich bekümmert war und sich nicht darauf konzentrierte, Dor in peinliche Lagen zu bringen, zeigte sie sich als das teuflisch hübsche Mädchen, das sie eben auch sein konnte. Sogar der grüne Farbton ihrer Haare wirkte sehr anziehend; er paßte zu ihren Augen, und schließlich war an Pflanzen ja auch nichts auszusetzen.
»Wahrscheinlich müssen sie Waren mitschleppen, so daß sie nur langsam vorankommen«, sagte Dor, wenn auch nicht zum ersten Mal. Doch er hatte eine schlimme Befürchtung, die an ihm nagte. Er schob sie beiseite, aber sie kehrte immer wieder, wie dies B e fürchtungen eben so an sich haben.
Irene widersprach ihm zwar nicht, doch mittlerweile begann die grüne Farbe sich auch auf ihrem Gesicht auszubreiten, und das war schon weniger schön.
Endlich brach der Abend an und dann die Nacht, ohne daß Trent und Iris erschienen wären. Nun wandte sich Irene in echter Furcht an Dor. »Ach, Dor, ich habe solche Angst! Was mag ihnen nur zugestoßen sein?«
Er konnte weder ihr noch sich selbst etwas vormachen. Er legte den Arm um ihre Schulter. »Ich weiß es nicht. Ich habe auch Angst.«
Einen Augenblick lang klammerte sie sich an ihn, sanft und weich in ihrer Furcht. Dann löste sie sich von ihm und lief zu i h ren eigenen Räumen. »Ich will nicht, daß du mich weinen siehst«, erklärte sie noch im Verschwinden.
Dor war gerührt. Wenn sie doch nur auch dann so wäre, wenn alles gut lief! Sie hatte weitaus mehr als nur Ärger und sexuelle Anzüglichkeiten zu bieten, wenn sie es nur zu zeigen bereit war.
Er zog sich in sein Schlafzimmer zurück und fiel in einen unr u higen Schlaf. Diesmal kamen die echten Nachtmähren, nicht die geschmeidigen und recht hübschen Pferde, mit denen er sich manchmal sogar angefreundet hatte, sondern riesige, nebelhafte, unförmige Wesen mit glitzernden weißen Augen und funkelnden Zähnen. Er mußte sich heftig schütteln, um sie zu vertreiben. Zwar benutzte er die königlichen Gemächer, denn er war ja jetzt König – doch seit diese Woche vorüber war, kam er sich immer mehr wie ein Hochstapler vor. Düster starrte er auf die dunklen Hufabdrücke auf dem Fußboden, wohl wissend, daß die Mähren nur darauf warteten, daß er wieder einschlief. Er war völlig weh r los. Er hatte sich voll und ganz darauf eingestellt, daß er sich nach Ablauf der Woche erholen könnte, und nun wurde ihm diese E r holung und Erleichterung versagt. Was sollte er tun, wenn der König und die Königin auch heute nicht wiederkehrten?
Sie kehrten nicht wieder. Dor fuhr fort, Streitigkeiten zu schlic h ten und Probleme zu lösen, die zur Routine der königlichen G e schäfte gehörten. Was hätte er auch sonst tun sollen? Doch im Palast wuchs die Unruhe, und mit jeder verstreichenden Stunde wurde auch seine Furcht immer größer. Jedermann wußte, daß König Trents Urlaub auf eine Woche geplant gewesen war. W a rum war er also noch nicht zurückgekehrt?
Am Abend kam Irene zu Dor, als alle gegangen waren. Jetzt hatte sie nichts Streitlustiges mehr an sich. Sie trug einen konservativen großen grünen Umhang, und ihr Haar war unordentlich, wie von Unkraut überwachsen. Ihre Augen glänzten unnatürlich, als hätte sie mehr geweint, als ihr gutgetan hatte, und versucht, die Anze i chen mit einer Spurenkrem zu verdecken. »Irgend etwas ist pa s siert«, sagte sie. »Das weiß ich genau. Wir müssen ihnen nach, um zu sehen, was los ist.«
»Das können wir nicht«, erwiderte Dor niedergeschlagen.
»Nicht können? Diese Vokabel gibt es in meinem Sprachschatz nicht!« Sie hatte sich so sehr daran gewöhnt, hochgestochene Spr a che zu verwenden, daß sie es nun sogar unter Druck tat. Dor hof f te nur, daß er selbst niemals so tief sinken würde. »Ich kann alles tun, was ich will, außer…«
»Außer Xanth zu regieren«, sagte Dor. »Und deine Eltern zu fi n den.«
»Wo sind sie hin?« fragte sie.
Natürlich wußte sie es nicht, da sie nicht in das Geheimnis ei n geweiht worden war. Er sah keine Möglichkeit mehr, es ihr noch länger zu verheimlichen. Immerhin war sie König Trents Tochter, und die Lage war sehr ernst. Sie hatte ein Recht darauf, es zu e r fahren. »In Mundania.«
»In Mundania!« wiederholte sie entsetzt.
»Auf einer Handelsreise«, erklärte er hastig. »Um einen Vertrag zum Wohle Xanths abzuschließen. Für den Fortschritt.«
»O weh, das ist ja doppelt so schlimm, wie ich befürchtet habe! In Mundania! Dem schrecklichsten aller Orte! Dort können sie
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