Zentauren-Fahrt
stoßen.«
»Du vertraust ihnen weitaus mehr als ich«, sagte sie. »Und dabei habe ich sie zum Wachsen gebracht.«
»Das ist alles nur eine Frage einer schlichten Berechnung«, mei n te der Zentaur.
»Kann ich mich an deine Seite lehnen?« fragte sie. »Ich habe he u te noch nicht geschlafen, und dein Fell ist so weich…«
»Nur zu«, sagte Chet großmütig. Er hatte sich wieder hingelegt, da das weiche Gewebe des Floßes ihn im Stehen nicht abstützen konnte. Die Binsen waren im Wasser angeschwollen, und Dor war es gelungen, das Wasser über Bord zu schaufeln, so daß sie nicht mehr im Meereswasser zu sitzen brauchten. Dor hatte zwar auch nicht geschlafen, verspürte aber kein Bedürfnis, sich an Chets pe l ziger Flanke anzulehnen.
Die Sterne über ihnen zogen vorüber. Dor lag auf dem Rücken und schätze ihren Kurs anhand der scheinbaren Sternenbewegung. Er war nicht gleichmäßig; die Bullenflatterbinsen suchten sich offenbar den Weg des geringsten Widerstands. Offenbar wußten sie, wohin sie wollten, und das genügte fürs erste.
Nach und nach erschienen die Steinbilder, Muster am Himmel, Sternenformationen, die sich aus ihrer willkürlichen Anordnung zu sinnvollen Konstellationen zu verschieben schienen. Bilder schi e nen zu entstehen, Darstellungen von Lebewesen und Gegenstä n den und Vorstellungen. Manche glichen Gesichtern; er meinte, König Trent auf ihn herunterblicken zu sehen, der ihm einen g e radlinigen, intelligenten Blick zuwarf.
Wo seid Ihr jetzt? fragte Dor wortlos.
Das Gesicht furchte die Stirn. Ich werde in einer mittelalterlichen mundanischen Burg gefangengehalten, sagte es. Ich habe hier keine magischen Kräfte. Ihr müßt mir Magie bringen.
Aber das kann ich doch nicht! protestierte Dor. Magie kann man doch nicht so mit sich herumtragen, und schon gar nicht nach Mundania!
Ihr müßt den Inseldurchgang nehmen, um mich zu retten.
Welchen Inseldurchgang? rief Dor erregt.
Die Zentaureninsel, erwiderte Trent.
Da sprühte die Gischt etwas Wasser in Dors Gesicht, und er e r wachte. Das Sternengesicht war verschwunden, er hatte geträumt.
Und doch war ihm die Botschaft immer noch gegenwärtig. Was für ein Durchgang? Und was hatte die Zentaureninsel damit zu tun? Wenn das wirklich eine Botschaft, eine Prophezeiung gew e sen war, was sollte er dann damit anfangen? Wenn es lediglich ein Traum oder eine Vision seines übermüdeten Geistes war, sollte er sie besser ignorieren. Aber so etwas war selten in Xanth.
Besorgt glitt Dor wieder in den Schlaf. Eine Nachtmähre war das bestimmt nicht gewesen, denn erstens hatte er ihn nicht e r schreckt, und außerdem konnten die Mähren natürlich gar nicht auf dem Wasser laufen. Vielleicht würde das Bild wiederkehren und sich erklären.
Doch der Traum wiederholte sich nicht, und er konnte ihn auch nicht durch Hinaufblicken zu den Sternen aufs neue herbeib e schwören. Wolken hatten den nächtlichen Himmel überzogen.
5
Stolz der Leunden
Dor erwachte, als der Morgen graute. Die Sonne hatte es irgen d wie in den Osten geschafft, wo das Festland lag, hatte sich abg e trocknet und schien wieder in alter Pracht. Dor fragte sich, welch gefährliche Strecke sie wohl gereist war. Vielleicht gab es ja einen Tunnel, durch den sie rollen konnte. Wenn es ihr einmal gelingen sollte, einen Weg herab zu finden, bei dem sie kein Bad im Meer zu nehmen brauchte, hätte sie es aber wirklich geschafft! Vielleicht sollte er ihr das irgendwann einmal vorschlagen. Schließlich ging die Sonne an manchen Morgen ja auch auf, ohne sich hinreichend abgetrocknet zu haben, um in vollem Glanz scheinen zu können. Offensichtlich waren manche Nächte schlimmer als andere. Doch er würde es ihr nicht gerade jetzt vorschlagen; er wollte nicht, daß die Sonne auf der Suche nach neuen Routen verschwand und Xanth womöglich gleich mehrere Tage hintereinander im Dunkeln zurückließ. Dor brauchte Licht, um die Zentaureninsel zu finden. Dafür reichte Juwels Mitternachtssonnenstein nun einmal nicht aus.
Die Zentaureninsel – sollte er König Trent dort finden? Nein, die Zentauren würden den König nicht gefangenhalten, und a u ßerdem befand sich Trent ja auch in Mundania. Aber vielleicht gab es auf der Zentaureninsel etwas, das in einem Zusammenhang damit stand. Wenn er den nur herausbekäme!
Dor setzte sich auf. »Wo sind wir jetzt, Chet?« fragte er.
Er erhielt keine Antwort. Der Zentaur war ebenfalls eingeschl a fen. Irene lehnte immer noch gegen ihn. Am Heck des Floßes
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