Zerberus - Unsichtbare Gefahr (German Edition)
dass nicht sie die Fabrik in die Luft gejagt hatten, aber eben auch, dass sie die Explosion nicht verhindert hatten – aus mehreren Gründen. »Stellen Sie sich vor, Sie oder Ihre Frau steigen morgens in Ihren Wagen und es macht …« Matthias machte eine bedeutungsvolle Pause und schlug dann mit der flachen Hand auf den Tisch. »Bumm. Wollen Sie das?«
Wieder fuhr Westinghaus zusammen. »Ich habe nichts getan. Ich weiß überhaupt nicht, worauf Sie hinauswollen.«
»Gut, wie Sie wollen.« Sven drückte die Kurzwahl von Dirks Handy. Sein Freund schien schon geahnt zu haben, dass es Zeit war, die Schraube enger anzuziehen. Ohne anzuklopfen betrat er das Zimmer und lehnte sich lässig neben der Tür an die Wand. »Ich hätte nicht damit gerechnet, Sie so schnell wiederzusehen, Herr Westinghaus.«
»Sie …?«, stammelte der Geschäftsführer, ohne den Blick von Dirks Waffe abzuwenden.
»Ja. Ich.« Mit einer lässigen Handbewegung warf Dirk seinen Ausweis auf den Tisch. »Ich bin zwar Wirtschaftsprüfer, arbeite aber fürs Landeskriminalamt. Und damit dürfte Ihnen klar sein, warum ich mich in Ihrer Firma umgesehen habe. Wir wollen Ihnen helfen, aber dafür müssen Sie reden. Wir wissen, dass der eigentliche Produktionsort in Mecklenburg-Vorpommern liegt, und wir kennen Ihre Kunden. Viel haben Sie uns nicht mehr anzubieten. Für wen wollen Sie den Kopf hinhalten? Ihre Hintermänner lassen Sie als Erstes fallen. Wetten? Bisher haben Sie sich nicht allzu viel zuschulden kommen lassen, und Ihr Geständnis wird sich strafmildernd auswirken.«
Dirks überraschendes Erscheinen und seine ruhige Art erreichten offenbar den endgültigen Durchbruch, denn Westinghaus nahm seine Brille ab und sah Sven beinahe flehend an. »Sie haben recht, ich werde Ihnen alles sagen, was ich weiß. Ich hätte bereits gestern zu Ihnen kommen müssen. Jetzt ist es viel zu spät, aber damit muss ich leben.« Er ließ den Kopf auf die Brust sinken. Dann griff er nach seinem Wasserglas wie nach einem Rettungsanker. »Sie können das vermutlich nicht verstehen, aber ich bin fünfundfünfzig Jahre alt und damit auf dem Arbeitsmarkt nichts mehr wert. Vor drei Jahren wurde mein alter Arbeitgeber Opfer einer Übernahme, als Finanzchef musste ich gehen. Zehn Monate lang habe ich einen neuen Job gesucht. Vergeblich. Dann kam das Angebot von
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, und ich dachte …« Westinghaus leerte das Glas in einem Zug. Dirk schenkte ihm sofort nach. »Danke. Zunächst lief alles normal, es war nur ungewöhnlich, dass ich keinen direkten Kontakt zu den Eigentümern hatte. Nach und nach häuften sich die Auffälligkeiten, aber da konnte und wollte ich nicht mehr zurück. Das Gehalt, der Dienstwagen, vermutlich können Sie nicht begreifen, wie wichtig mir diese Dinge waren. Zu neunzig Prozent war es ein ganz normaler Job, und mit der Zeit habe ich gelernt, die restlichen zehn Prozent zu übersehen. Aber ich bin froh, dass es ein Ende hat. Ich habe letzte Nacht keine Minute geschlafen.« Westinghaus starrte auf die Tischplatte, dann ruckte sein Kopf hoch, und er sah Sven wieder direkt an. »Es geht nicht nur um irgendwelche illegale Substanzen oder halbseidene Geschäfte, sondern um erheblich mehr. Dieser Motorradfahrer. Der Amerikaner, er war ein Kollege von Ihnen.« Westinghaus lachte bitter auf. »Zwei Männer arbeiten verdeckt in meinem Unternehmen, zur selben Zeit, und wissen nicht einmal voneinander. Es ist unglaublich.«
Erstaunt stellte Sven fest, dass der Geschäftsführer nicht auf die Idee kam, dass sie zusammenarbeiteten. Doch er glaubte ihm jedes Wort. Ein abgebrühter Verbrecher hätte anders reagiert, und kein Schauspieler bekäme eine solche überzeugende Körpersprache hin. Westinghaus wurde von Angst und schlechtem Gewissen zerrissen.
Wieder leerte er das Glas in einem Zug. »Ihr Kollege hatte weniger Glück. Ich bekam ein Fax mit ausführlichen Informationen über ihn und die Anweisung, ihn im Auge zu behalten. Man würde sich um ihn kümmern, aber ich sollte mich melden, wenn vorher etwas geschah. Ich wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Ich konnte mich doch nicht stundenlang im Serverraum aufhalten, und ansonsten wusste von der Belegschaft kaum jemand etwas über unseren zweiten Standort in Mecklenburg-Vorpommern. Ich habe dann gar nichts getan und einfach die Augen verschlossen, obwohl ich ahnte, dass ›kümmern‹ nichts Gutes hieß. Gegen acht Uhr bekam ich einen Anruf, dass das Problem gelöst wäre und dass alles normal
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