Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
verließ sie ihre Heimatstadt mit dem Geld, das sie sich mühevoll verdient und gespart hatte. Sie wollte in eine große Stadt, in der man sie nicht kannte, in der man sie nicht sah, einfach weil es dort so viele Menschen gab.
Auf dem Weg setzen die Wehen ein. Das war ihr ganz recht. Sollte der Bastard doch bei der Geburt sterben, dann könnte sie neu anfangen. Eventuell würde sie eine noch ganz passable Partie machen, dachte sie bei sich. Ihre Schönheit war jedoch schon lange aufgrund ihrer mangelnden Ernährungen wie eine Blume verwelkt. Das Baby holte sich von den Reserven das, was es zum Wachsen und Gedeihen brauchte.
Während sie am Straßenrand im Staub lag und sich vor Schmerzen wand, verfluchte sie alle Männer und vor allem den Mann, der ihr das angetan hatte. Dem sie ihre Liebe geschenkt hatte und dafür jetzt die Saat des Teufels austrug. Sie war gekeimt und begann jetzt Früchte zu tragen. Sie verfluchte das Kind, hoffte auf eine Totgeburt. Sie wusste nicht wie lange sie im Staub gelegen hatte. Waren es Stunden oder Tage? Der staubige Boden um sie herum war feucht von ihrem Wasser und Blut. Sie taste um sich, als ihre Hände einen spitzen Stein zu fassen bekam. Angewidert von dem Klumpen Blut, der zwischen ihren Beinen lag und durch eine Schnur mit ihr verbunden war, schlug sie mit letzter Kraft auf das Band ein, das sie mit diesem Monster verband. Dann verlor sie das Bewusstsein.
…
Das Erste was sie wahrnahm, als sie wieder zu sich kam, war der Geruch von Stroh. Sie war in Decken gehüllt und lag auf einem Strohhaufen, der sich rhythmisch hin und her bewegte und sie wie ein Kind wieder in den Schlaf wiegte. Bauern aus der Umgebung hatten sie gefunden, kurz nachdem sie in Ohnmacht gefallen war. Die Bäuerin war selbst mehrfache Mutter und wusste, was zu tun war.
„Der Junge hat einen starken Lebenswillen, so wie die Mutter!“, hatte man ihr freudestrahlend erklärt, ihr stolz das in Leinentücher gewickelte Baby hingehalten und es ihr an die Brust gedrückt.
Bei dem Gedanken an den Blutklumpen, der ihren Lenden entsprungen war, wurde ihr schlecht. Das was sie jedoch jetzt im Arm hielt, hatte nichts mit dieser Horrorvision gemein. Ein kleiner rosafarbener Zwergmensch schlief in ihren Armen. Als spüre der Kleine die Nähe seiner Mutter, öffnete er langsam die Augen. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus. Ein Sohn ... Ihr Sohn ...
Plötzlich stockte ihr der Atem und ihr Herz gefror. Aus dem kleinen Gesicht starrten sie die bernsteinfarbenen Augen des Menschen an, der sie benutzt und dann wie einen gebrauchten Waschlappen weggeworfen hatte. Der ihre Pläne, ihre Zukunft und ihre Schönheit in einer Nacht zerstört hatte. Er war auf ihren Träumen und Hoffnungen herumgetrampelt und hatte sie danach auch noch verhöhnt. Sie hielt seine Brut in ihren Händen ... Seinen Satansbraten.
Die unschuldige Liebe, die in ihrem Herzen zur unstillbaren Leidenschaft entflammt war, hatte sich während der Zeit des Wartens und in dem Augenblick der Erkenntnis, dass er nicht wiederkommen würde, in Hass und Verachtung verwandelt. Doch ein wenig von der unschuldigen Liebe und der Hoffnung hatte wohl doch überlebt und kämpfte in ihrem Herzen mit dem Hass, denn sie behielt den Jungen.
Sie gab ihm jedoch keinen Namen und Liebkosungen kannte er nicht. Er wurde zu ihrem Schatten. Ein Gegenstand, den man beim Umzug mitnahm, obwohl man sicher war, man würde ihn in der neuen Wohnung entsorgen. Dies ging so lange, bis der Junge etwa sechs war. Wie alt genau er war, wusste er nicht und sie hatte aufgehört die Jahre zu zählen. Zeit war nicht mehr wichtig. Sie arbeitete manchmal, schliefen meist auf der Straße und bald, als der letzte Funken ihres Stolzes erlosch, begann sie zu betteln und stehlen.
In der großen Stadt sah sie niemand, in der großen Stadt ging sie unter. Es gab so viele Obdachlose, Arme und Bettler. Sie fiel nicht auf, sie ging in der Masse der Armen als Arme unter. In ihrer Brust kämpften der Mutterinstinkt und ein kleines Fünkchen der flammenden Liebe einer Nacht mit der Scham und der Wut verlassen worden zu sein von dem Mann, dem sie alles geschenkt hatte. In dem Leben in Armut erlosch der kleine Funke und starb lautlos mit den Muttergefühlen.
Menschenhandel war in den Landen geächtet. Trotzdem hielten jene Sklaven, die es sich leisten konnten. Und wo es eine Nachfrage gab, herrschte ein Angebot. Airen waren aufgrund ihrer kleine Statur und ihrer Kraft im Baugewerbe beliebt
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