Zero Day
herkömmliche Sprengstoff explodiert, jagt die Detonation die eine Hälfte durchs Rohr zur anderen Hälfte der Ladung. Das Ergebnis ist die Kettenreaktion. Es ist eine grobschlächtige, äußerst ineffektive Methode, und die Sprengkraft bleibt begrenzt. Man müsste ein Rohr von unendlicher Länge haben, um die Kettenreaktion auszuweiten. Und man kann ausschließlich Uran benutzen – wegen bestimmter Unreinheitsfaktoren –, aber kein Plutonium. Deshalb ist die Industrie zur Methode der Implosionszündung übergegangen.«
»Dann hätte ich gern einen Schnellkursus in Sachen Implosionszündung«, antwortete Puller.
»Dafür kann man entweder Uran oder Plutonium verwenden. Im Wesentlichen ist es so, dass man auch hier konventionellen Sprengstoff benutzt, und zwar in Form sogenannter Sekundärzünder, um den Kern der Bombe, in dem sich der Nuklearbrennstoff befindet, zu einer superkritischen Masse zu komprimieren. Die Stoßwelle zur Komprimierung des Urans oder Plutoniums muss vollkommen konzentrisch ausfallen, sonst entweicht die Füllung des Kerns durch eine Bresche, und heraus kommt dabei etwas, das man Verpuffung nennt. Außerdem braucht man einen Initiator, der die Neutronen aus der Neutronenquelle in den Kern jagt, sowie einen Neutronenreflektor, um die freigesetzten Neutronen darin festzuhalten. Der Trick besteht darin, vor dem Erreichen einer superkritischen Masse ein zu rasches Zerplatzen des Kerns zu verhindern. Je länger das Schmelzmaterial reagieren kann, umso mehr Atome werden gespalten und umso gewaltiger wird der Knall. Bei einer vorteilhaften Bombenkonstruktion kann man schon mit einem zusätzlichen Gramm Nuklearbrennstoff die Sprengkraft verdreifachen.«
»Welche Bestandteile braucht man für so eine Konstruktion?«
»Was meinst du damit genau?«
»Zum Beispiel Goldfolie und Wolframkarbid.«
Für die Dauer dreier Herzschläge herrschte Schweigen. »Wieso gerade diese Sachen? Weißt du bestimmt, dass sie in deinem Fall von Bedeutung sind?«
»Ja.«
»Gütiger Himmel …«
»Raus mit der Sprache, Bobby. Mir läuft hier die Zeit davon.«
»Goldfolie kann in die Initiatorkomponente eingebaut werden. Für eine Atombombe braucht man eine Neutronenquelle aus Beryllium und Polonium, zwischen denen die Folie als Trennmaterial platziert wird. Sie ist demnach ganz klar ein entscheidender Bestandteil der Konstruktion.«
»Und das Wolframkarbid?«
»Es ist dreimal härter als Stahl und hat eine enorme Dichte, daher bewährt es sich sehr gut als Neutronenreflektor. Damit hält man die Neutronen im Kern zurück, um das superkritische Stadium zu maximieren. Willst du mit alldem andeuten, dass … Wo steckst du, um Himmels willen?«
»In den Vereinigten Staaten.«
»Wie sind sie an den nuklearen Brennstoff gelangt?«
»Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass in den Sechzigern mal eine geheime Regierungsanlage in Betrieb war, die vor langer Zeit geschlossen wurde, und dass man dann eine Betonkuppel darüber gebaut hat, einen Meter dick, und es dabei belassen hat? Die Arbeiter der Fabrik stammten samt und sonders aus anderen Gegenden und wohnten gleich neben der Anlage in einer Siedlung. Sie durften mit den Einheimischen über nichts reden, und nach der Schließung mussten sie allesamt fort. Fällt dir dazu etwas ein? Als du noch bei der Luftwaffe warst, hast du mit diesen Sachen doch ständig zu tun gehabt.«
»Aus einem Meter dickem Beton?«
»In Kuppelform.«
»In ländlicher Umgebung?«
»Einen ländlicheren Landstrich kann man sich kaum vorstellen. Weniger Bevölkerung, als in Brooklyn ein Häuserblock Bewohner hat. Die Fabrik hatte eine eigene Feuerwache, und dort habe ich ein Blatt Papier gefunden, auf dem die Zahlen zweiundneunzig und vierundneunzig stehen. Und ich habe gelesen, dass innerhalb mehrerer Kilometer rund um die Kuppel keine Sprengungen zwecks Kohleförderung gestattet wurden.«
»Dort werden in der Nähe Sprengungen vorgenommen? Ist das dein Ernst?«
»Ja.«
»Das ist ja unglaublich. Selbst wenn man kilometerweit entfernt sprengt, können im Felsuntergrund Risse und Spalten erweitert werden. So etwas kann verheerende Folgen haben.«
»Weißt du etwas über diese Fabrikanlage?«
»Ich weiß nichts. In den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts war ich noch gar nicht geboren.«
»Aber falls du auf der Grundlage deiner Erfahrungen eine Vermutung äußern müsstest?«
Robert Puller gab ein gedehntes Aufstöhnen von sich. »Würde ich noch Uniform tragen, dürfte
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