Zero Option: Thriller
»Was hast du für ihn gemacht? Einen Ausweis? Reisepass?«
»Ja« , stieß Giordano zwischen den Schmerzensschreien hervor. »Einen Reisepass. Ich hab ihm einen Reisepass gemacht.«
»Schon besser«, meinte die Frau zufrieden. Sie legte das Teppichmesser auf den Rollwagen und wandte sich von Giordano ab. »Viel besser. Wie lautet der Name auf dem Reisepass, den du für diesen Mann angefertigt hast?«
»Tolento Lombardi«, erwiderte er.
»Kannst du dich erinnern, dass ich gesagt habe, ich würde dir nichts tun, wenn du die Wahrheit sagst?«, fragte sie ihn, ohne sich umzudrehen. Und fügte, noch bevor Giordano antworten konnte, hinzu: »Bedauerlicherweise hast du beschlossen, mich anzulügen. Und jetzt kann ich dir kein Wort mehr glauben.«
Giordano verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. Er konnte das warme Blut spüren, das über seinen Unterbauch lief. Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper. »Es tut mir leid. Bitte. Ich lüge nie wieder. Bitte .«
»Es gibt Menschen, die halten Folter für uneffektiv«, sagte die Frau. Immer noch hatte sie Giordano den Rücken zugewandt. »Aber sie ist nur dann uneffektiv, wenn sie von ungeübten Personen angewandt wird. Ich studiere diese Kunst seit über einem Jahrzehnt, überall auf der Welt. Ich habe jede nur vorstellbare Technik erlernt, die modernen ebenso wie die alten. Aber ich komme leider viel zu selten dazu, meine Fähigkeiten einzusetzen.« Jetzt endlich drehte sie sich um, den Schweißbrenner in der Hand. »Nun, Alberto, ich bin außerordentlich froh darüber, dass du dich entschlossen hast, mich anzulügen. Herzlichen Dank dafür.«
Mit einem lauten Wusch entzündete sie die Flamme.
Kapitel 56
Moskau, Russland
Julia Eltsina stand in einem der vielen Lagerhäuser, die der Organisation gehörten. Obwohl der Waffenhandel ein sehr weit verzweigtes Unternehmen war, gab es weder ein Bürogebäude noch eine Zentrale. Die Organisationsstruktur ähnelte vielmehr einem terroristischen Netzwerk mit vielen Zellen, die weitgehend unabhängig voneinander operierten. Jede Zelle erhielt ihre Anweisungen von einem höherrangigen Mitglied der Organisation, das wiederum einem Angehörigen des Führungsstabes unterstellt war. Den Kopf der Organisation bildete ein Vorstand, in dem Burliuk und Eltsina als Vizepräsidenten fungierten. Den Posten des Vorstandsvorsitzenden nahm selbstverständlich Kasakov ein. Bis jetzt.
Von den sieben einfachen Vorstandsmitgliedern waren nur fünf zu der Sitzung erschienen. Die anderen waren zu weit weg und hätten es nicht rechtzeitig geschafft, würden jedoch im Anschluss über die neuesten Entwicklungen informiert werden. Eltsina erlebte einen Machtrausch, der ihre Hände zittern ließ. Noch nie hatte sie sich so lebendig gefühlt.
Die Lagerhalle stand leer. Sie war lediglich ein Bestandteil der legalen Fassade der Organisation. Der saubere, glänzende Fußboden reflektierte das weiße Licht der Neonröhren an der Decke, die in gerader Linie von einer Wand zur anderen liefen. Stahlpfeiler stützten die Decke. Klimaaggregate hingen ungenutzt an Seilen. Das riesige Rolltor am einen Ende der Halle stand offen, um den Vorstandsmitgliedern die Einfahrt zu ermöglichen. In einem lockeren Halbkreis aufgereiht fanden sich dort zwei Bentleys, ein Rolls-Royce, eine Zil-Limousine und zwei BMW. Eltsinas Mercedes parkte draußen vor der Halle.
Burliuk und die fünf Vorstandsmitglieder standen als lockeres Grüppchen beisammen. Ihre Fahrer und Leibwächter warteten am anderen Ende der Lagerhalle, außer Hörweite. Die Vorstandsmitglieder waren alle sehr gut gekleidet, so, wie Kasakov es verlangte. Die meisten waren grauhaarig und übergewichtig. Ein Haufen langweiliger Männer, genauso skrupellos wie geldgierig. Und allesamt Chauvinisten. Es hatte Jahre gedauert, um ihnen wenigstens so viel Respekt beizubringen, dass dieser Moment überhaupt möglich war. Eltsina wusste, dass sie sich der Unterstützung dieser Machos so lange sicher sein konnte, wie sie glaubten, dass sie sie noch reicher machen konnte.
»Meine Herren«, begann sie. »Es tut mir sehr leid, dass ich Sie alle in solcher Eile hierherbitten musste, aber ich habe sehr schlechte Nachrichten.« Sie richtete den Blick erst zu Boden und ließ ihn dann in der Halle umherschweifen, als suchte sie verzweifelt nach Worten. Mit gebrochener Stimme sagte sie schließlich: »Vladimir ist tot.«
Stille. Zuerst lag ungläubiger Zweifel auf den Gesichtern, dann Schock.
»Was soll das
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