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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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fotografieren ihn. Sie veröffentlichen ein Foto von Bruno, der herausfordernd den rechten Arm reckt, während Polizisten ihn
    festhalten. Wieder trägt er einen hellen Leinenanzug, diesmal mit Jackett, und eine Sonnenbrille. Später wird er interviewt.
    Fuduli sagt, es sei zwei Jahre her, dass er den Antrag beim Solidaritätsfonds für die Opfer von Schutzgelderpressung und Zinswucher gestellt habe, bisher habe er jedoch noch keinen Cent gesehen. Er sei, so erzählt er, nur deshalb mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Vibo gekommen, weil er beschlossen habe, aus dem Zeugenschutzprogramm auszusteigen. Besonders ein Interview lässt schon bei der Lektüre des Titels erstarren: »Arbeitet bloß nicht mit der Justiz zusammen, die bescheißen euch nur.« Fuduli weiter: »Mit meiner Hilfe wurden hundertvierzig Personen hinter Gitter gebracht, fünf Tonnen Kokain sichergestellt und der Drogenschmuggel zwischen Kalabrien und Kolumbien aufgedeckt, aber jetzt habe ich sie zum Teufel geschickt ... «
    Auch was er sonst noch sagt, lässt keinen Zweifel. Der Staat habe sein Leben zerstört, beklagt sich Fuduli, und lasse ihn mit weniger als tausend Euro im Monat verhungern. Er habe eine Räumungsklage am Hals, seine Schwester leide an einer schweren Stresserkrankung, seine Mutter sei alt. Er sei so verzweifelt, dass er beschlossen habe, sich mitten in Vibo Valentia der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf die Frage, ob er je daran gedacht habe, auf die andere Seite zu wechseln, antwortet er: »Ich habe daran gedacht, und ich bereue, dass ich es nicht getan habe, wenn ich sehe, wohin mich meine Zusammenarbeit mit der Justiz geführt hat.« Binnen zehn Tagen erhält er sowohl die geforderte finanzielle Hilfe als auch ein Darlehen für einen wirtschaftlichen Neubeginn. Aber vielleicht ist es da ja bereits zu spät. Mit seiner entschlossenen Geste auf dem Rathausplatz hat Fuduli nicht nur seiner Verzweiflung und seiner Wut freien Lauf gelassen. Er hat auch Dinge gesagt, die in
    diesem Landstrich unmissverständlich sind. Eine weniger vehemente und konventionellere Absage hätte gereicht, die schlichte Klage darüber, dass ihn der Staat im Stich gelassen habe. Doch der einstige Doppelagent hat klar und deutlich seine Absicht zum Verrat bekundet. Für solche Gesten hat es Bruno Fuduli nie an Mut und Entschlossenheit gefehlt. Es ist richtig, dass er für seine Entscheidung bezahlt.
    Im Rahmen der nachfolgenden Ermittlungen der Antimafiastaatsanwaltschaft Mailand wurde ein Gespräch abgehört, in dem Pizzata von einem Vorfall während einer seiner Reisen nach Kolumbien erzählt. Ein Narco mit dem Beinamen »Lo Zio«, der Onkel, hatte jemandem die Hände abgehackt, der »Material« gestohlen hatte. »Mamma mia«, gibt sein Schwager Francesco Strangio zurück, »in diesen Dingen sind wir flexibler. Aber wann ist hier bei uns so etwas passiert? Noch nie. Dann lieber ein Schuss. Aber keine solche Folter.«
    Vielleicht setzte Bruno Fuduli mit seinem gewagten Spiel auf eine Lösung im Spektrum der Möglichkeiten zwischen dieser erhofften Flexibilität und dem tödlichen Schuss, den er bereits einkalkuliert hatte. Vielleicht zielte er nicht nur auf die Nar-codollars, sondern sehr viel höher. Vielleicht wollte er seine Kompetenzen und seine Verlässlichkeit im Big Business unter Beweis stellen, wie er es schon einmal getan hatte. Vielleicht hätte er sich sogar aus der Deckung wagen können. Vielleicht wollte sich Fuduli mit Kokain sein Leben erkaufen. Ob es ihm gelungen wäre, werden wir nie erfahren.

Kokain # 5
    Es ist das komplizierteste mathematische Problem. Schwerer zu lösen als die Primzahlzwillingsvermutung oder die LandauProbleme, rätselhafter als Kornkreise und mit mehr Variablen als eine partielle Differenzialgleichung. Im Grunde genommen eine einfache Gleichung: das Verhältnis von beschlagnahmtem zu produziertem Kokain. Eine Bruchrechnung. Grundschul-stoff. Tragen wir die Daten zusammen, könntest du sagen. Gut, wo sollen wir anfangen? Beim World Drug Report 2012? Okay, hier ist die Tabelle. 2009 wurden 732 Tonnen Kokain beschlagnahmt, 2010 nur noch 694, also 38 Tonnen weniger.
    Angesichts der weltweit zirkulierenden Drogen eine unbedeutende Menge. Du kannst daraus den Schluss ziehen, dass sich die beschlagnahmten Mengen in den letzten Jahren kaum verändert haben. Gehen wir weiter zurück, zu den Jahren 2001 bis 2005. In diesem Zeitraum stiegen die beschlagnahmten Mengen immer weiter und erreichten 2005 den höchsten

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