ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Forderungen in Höhe von mehreren Millionen Dollar. Salvatore Miceli befürchtet das Schlimmste. Er bittet seinen Sohn Mario, ein paar Ländereien und Vermögenswerte der Familie zu verkaufen, vor allem aber, sofort mit Epifanio Agate zu sprechen, dem Sohn des Bosses Mariano Agate, der in L’Aquila einsitzt. Er soll auf Waridel Druck ausüben.
Die Cosa Nostra steckt in Schwierigkeiten. Die in der Öffentlichkeit meistdiskutierte kriminelle Organisation der Welt scheint der Situation nicht Herr zu werden. Der Clan aus Trapani hat kein Geld. Waridel hat wissen lassen, dass für die Zollabfertigung der beiden Container und den Transport der Ware nach Italien 400 000 Dollar benötigt werden. Da greift Pannunzi ein, um Miceli zu retten und die Lieferung freizubekommen. Er schickt zwei Vertreter seiner Gruppe nach
Lugano, um Waridel den Betrag zu übergeben, der ihn seinerseits nach Athen bringen soll. Doch so wie zuvor schon der griechische Reeder versucht auch Waridel, sein eigenes Süppchen zu kochen. Vielleicht will er sich das Kokain unter den Nagel reißen, vielleicht will er nur das Geld behalten, das für die Zollabfertigung der Container nötig ist. Nachdem er das Geld in der Tasche hat, sagt er, das restliche Kokain sei aus dem Hafen verschwunden und befinde sich jetzt an einem nicht näher bezeichneten Ort auf afrikanischem Boden in der Obhut eines türkischen Landsmanns seines Vertrauens. Am Telefon entschlüpft ihm zur Bezeichnung von Afrika eine ungewollt poetische Wendung: »auf der anderen Seite der Stiere«, also gegenüber von Spanien.
Kalabresen und Sizilianern wird klar, dass Waridel versucht, sie hereinzulegen. Die Rache kann jedoch warten, das Geschäft hat Vorrang. Wieder organisieren sie eine Reise, diesmal von Namibia nach Sizilien. Ende September 2002 befindet sich das Schiff mit dem Kokain in Höhe der Ägadischen Inseln, doch von den sizilianischen Fischkuttern, die die Ware an Bord nehmen sollen, ist nichts zu sehen. Der erste Tag vergeht, ohne dass der Kapitän irgendein Signal erhält. Auch in der zweiten Nacht bleibt alles ruhig. Der Kapitän wartet noch eine dritte Nacht. Er versucht, auf dem vereinbarten Weg Kontakt aufzunehmen, ohne Erfolg. Schließlich stellt sich das Unglaubliche heraus: Die Trapanesen hatten eine andere Funkfrequenz verwendet. Ein Missverständnis. Pannunzi kann nicht jeden einzelnen Schritt überprüfen. Er ist kein Mafiaboss, sondern ein Broker. Wenn er als Broker einen Fehlschlag landet, dann nur, weil ein anderer einen operativen Fehler gemacht hat.
Salvatore Miceli kriegt es mit der Angst zu tun. Die Kolumbianer trauen ihm nicht mehr. Die Beteuerungen der Italiener haben jede Glaubwürdigkeit verloren. Miceli kommt frei, als Pannunzi für die Transaktion bürgt. Aber Bebe ist von seinem Freund enttäuscht, der auch seinen guten Ruf beschädigt hat. Die Bosse der ’Ndrangheta sind noch wütender. Sie halten den Sizilianer für das Schlamassel mitverantwortlich, das die gesamte Operation platzen zu lassen droht und aus dem sie ihn auch noch mit Millionen Dollar auslösen mussten. Daraufhin werden die Sizilianer ausgebootet. Die Cosa Nostra ist draußen. Pannunzi nimmt die Situation jetzt allein in die Hand und entscheidet, die Ladung solle nach Spanien gehen. Auch dort hat er seine Gewährsleute, und dort hat er Massimiliano Aves-ani, »Il Principe«. »Der Fürst« ist ein reicher Römer, der Pannunzi und den kalabrischen ’ndrine verbunden ist. Seit Jahren schon ist er der angesehene Besitzer einer Schiffswerft in Malaga. Pannunzi hat erkannt, dass Polizeikräfte der halben Welt die Ladung abgefangen haben und versuchen, deren Weg nachzuvollziehen. Doch diesmal machen die Kalabresen und ihre Helfershelfer keine Fehler, sie verwenden eine hochverschlüsselte Sprache und wechseln häufig die Telefonnummern. Die Ermittler verlieren die Spur. Am 15. Oktober 2002 legt das Schiff in Spanien an, und der Irrweg des Kokains endet in den sicheren Händen Avesanis.
In der Zwischenzeit hat die Finanzpolizei von Catania einen weiteren möglichen Anhaltspunkt entdeckt. Die Vorsicht bei den telefonischen Kontakten in Italien und in Kolumbien war zwar geradezu obsessiv, dennoch konnten die Ermittler mehrere Anrufe abfangen, die bei ein und derselben Festnetznummer aufliefen. Eine holländische Nummer, die Nummer der Amsterdamer Anwaltskanzlei Leon van Kleefs. Er und seine Partner sind so berühmt, dass sie in der Illustrierten Nieuwe Revu porträtiert wurden. Wie üblich
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