ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
wollte sie
mit der Einstellung eines Mannes wie Martin Woods ihre Absicht unter Beweis stellen, alle Vorschriften rigoros zu befolgen. Doch im Juli 2012 zog die Royal Bank of Scotland das bereits vertraglich besiegelte Angebot wieder zurück. Sie hatte erst kurz zuvor von Woods’ Anzeigen gegen die Wachovia-Bank erfahren. Wenige Tage später kommt der Libor-Skandal ans Licht, wonach einige der größten Banken, darunter auch die Royal Bank of Scotland, den europäischen Referenzzinssatz für Interbankendarlehen Libor (London Interbank Offered Rate) jahrelang manipuliert hatten.
Woods gibt auch diesmal nicht klein bei, sondern klagt. Wieder erleidet er eine Niederlage. Der britische Richter lehnt die Klage wegen einer juristischen Spitzfindigkeit ab: Es sei noch kein Arbeitsverhältnis aufgenommen worden; das war auch der Standpunkt der Bank. Folglich habe es Woods gar nicht zugestanden, sich an ein Arbeitsgericht zu wenden, um seine Ansprüche geltend zu machen. In der Zwischenzeit hat Woods beim Medienkonzern Thomson Reuters als Berater in Sachen Finanzkriminalität angefangen. Doch keine Bank brachte bisher den Mut auf, ihn einzustellen.
New York und London sind derzeit die zwei größten Geldwaschanlagen für schmutziges Kapital weltweit. Nicht mehr die Steuerparadiese, die Cayman Islands oder die Isle of Man, sondern die City of London und die Wall Street. Jennifer Shasky Calvery, Chefin der Geldwäscheabteilung im amerikanischen Justizministerium, erklärte bei einer Sitzung des US-Kon-gresses im Februar 2012: »Die Banken der Vereinigten Staaten werden dazu benutzt, große Mengen illegalen Kapitals aufzunehmen, das sich unter den Milliarden Dollars verbirgt, die tagtäglich von Bank zu Bank wandern.« Die Zentren der
weltweiten Finanzmacht haben sich mit den Geldern aus dem Kokaingeschäft über Wasser gehalten.
Lucy Edwards ist eine brillante Karrierefrau. Sie ist Vizepräsidentin der Bank of New York in London und mit Peter Berlin verheiratet, dem Direktor der britischen Gesellschaft Benex Worldwide. Lucy wurde zu einer zweitägigen Konferenz über Finanzdienstleistungen für skandinavische, osteuropäische und russische Kunden eingeladen. Sie ist dafür geradezu prädestiniert, ist sie doch wie ihr Mann in der ehemaligen Sowjetunion geboren und hat später die britische Staatsangehörigkeit angenommen. Ihr Vortrag trägt den Titel »Geldwäsche: jüngste Entwicklungen und Regelungen«, und sie ist mit dem Thema bestens vertraut. Während Lucy ihre Zuhörer immer mehr in Bann zieht, teilen die britischen Behörden, die seit Jahren gegen russische kriminelle Organisationen ermitteln, amerikanischen Stellen mit, Benex benutze ein Konto bei der Bank of New York als Kanal, um enorme Geldmengen zu transferieren. Das ist noch nicht alles. Benex ist mit der YBM Magnex verbunden, einer Briefkastenfirma im Besitz eines der mächtigsten Bosse der russischen Mafia: Semjon Mogilewitsch.
Das FBI entdeckt, dass Mogilewitsch Milliarden schmutzige Dollar über die Bank of New York recycelt. Ein kontinuierlicher, äußerst schneller Strom ein- und ausgehenden Geldes, der die Bank aber nicht sonderlich gestört, sondern lediglich zu einer »Meldung verdächtiger Transaktionen« veranlasst hat. Ein Geldstrom, mit dem auch die Wahlkampagnen einiger russischer Politiker finanziert wurden. Die New Yorker Staatsanwälte kommen zu dem Schluss, dass es sich um illegale Transfers im Umfang von sieben Milliarden Dollar handelte, die aus Russland über amerikanische Banken liefen, um dann
unter dem Deckmantel von Scheingesellschaften auf andere Konten rund um die Welt verteilt zu werden.
Im Falle der Bank of New York landet nur eine einzige Person im Gefängnis, und auch sie nur für zwei Wochen: Svetlana Kudryavtseva, eine Bankangestellte, die einen FBI-Agenten hinsichtlich einer 500-Dollar-Prämie belogen hatte, die sie monatlich von Peter Berlin und seiner Frau erhielt. Die Bank kam mit einer Strafe von 38 Millionen Dollar und der Verpflichtung davon, künftig die Geldwäschebestimmungen einzuhalten.
Die Strategie Mogilewitschs und seiner Partner lässt sich leicht auch in anderen Ländern nachbilden, zum Beispiel in Italien. 1999 behält die Staatsanwaltschaft Rimini die Girokonten von zwei Ukrainern und einem Russen im Auge, die, wie in den Ermittlungsakten zu lesen ist, »an der Spitze einer kriminellen Organisation stehen, die sich die Kontrolle über die Regionen Emilia Romagna und Marken sichern will«. Benex
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