Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
Vom Netzwerk:
vorbehalten, die es sich leisten konnten, drei Monatsgehälter hinzublättern. Es war eine regelrechte Invasion, die auch dank des Zerfalls der angrenzenden Staaten auf keinen Widerstand traf. Kriege, offene Grenzen und ein Heer von illegalen Einwanderern, die in der legalen Wirtschaft keine Arbeit finden konnten. Auch hier - wie auf der ganzen Welt - wurde jetzt für viele das Dealen zur einzigen Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Entscheidend jedoch war die Öffnung zur
    westlichen Welt, zunächst in die USA und nach Kanada, dann auch nach Lateinamerika und in die Karibik. In diesen Ländern gab es eine große Nachfrage nach Waffen, und Russland verfügte über ein breites Angebot an sowjetischer Kriegsausrüstung. Umgekehrt verfügten diese Länder über ein großes Angebot an Drogen und über Erfahrung mit Geldwäsche, während in Russland eine große Nachfrage nach Drogen und nach Möglichkeiten bestand, schmutziges Geld zu waschen. Damit war die Sache geritzt. Anfangs war es nur eine Interessenkonvergenz, ein symmetrischer Austausch zwischen den beiden Ozeanküsten. Die sowjetischen Waffenarsenale machten die organisierte Kriminalität des ehemaligen Sowjetimperiums immer reicher und mächtiger, das weiße Pulver stärkte und bereicherte die mittel- und südamerikanischen Kartelle. Der exponentielle Anstieg der Profite, die erneut investiert werden mussten, festigte die Geschäftsbeziehungen zwischen den Nar-cos und den Russen. In Lateinamerika und besonders in der Karibik fanden die Russen dieselbe staatliche Schwäche vor, die das Wachstum ihrer eigenen Mafia begünstigt hatte: Korruption, Rechtlosigkeit, ein marodes Bankensystem, willfährige Richter. Erleichtert wurde die Sache dadurch, dass manche Länder den russischen Bossen problemlos ihre Staatsbürgerschaft verliehen.
    Die russischen Organisationen boten den Narcos risikoärmere Möglichkeiten der Geldwäsche, ein Service, für den sie bis zu dreißig Prozent Provision einstrichen. Prostitution, Erpressung, Zinswucher, Entführungen, Betrügereien aller Art, Fälschungen, Kinderpornographie und Autodiebstahl waren die bevorzugten Tätigkeitsfelder der russischen Mafiosi in Lateinamerika. Gruppen wie Solnzewskaja, Ismailowskaja, Poldolskaja, Tambowskaja und Mazukinskaja sind in Mexiko
    zu Hause, ebenso Mafiazellen aus Ländern des ehemaligen Ostblocks: Litauen, Polen, Rumänien, Albanien, Armenien, Georgien, Kroatien, Serbien und Tschetschenien.
    Der Multimilliardär Mogilewitsch wurde in Ungarn, in Großbritannien, in der Tschechischen Republik und in anderen westlichen Staaten zur Persona non grata erklärt. Doch damit können diese Länder nicht zerschlagen, was er und seine Kumpane in den wenigen und entscheidenden Jahren ungestörter Freiheit aufgebaut haben. Es hat nicht viel zu sagen, dass Mogilewitsch nach Russland zurückgekehrt ist, ebenso wie der kleine Japaner, der nach seiner Entlassung aus amerikanischer Haft wegen eines in Russland laufenden Mordverfahrens ausgeliefert wurde. Die Anklage wurde aus Mangel an Beweisen fallengelassen, und er verließ den Gerichtssaal als freier Mann. Sämtliche Zeugen behaupteten, sie seien ihm noch nie begegnet. So lebte er unauffällig, bis ein Killer ihn im Juli 2009 vor einem thailändischen Restaurant ins Jenseits beförderte. Eine neue Fehde war ausgebrochen, er hatte Partei ergriffen und war diesmal nicht davongekommen. Auf einem Friedhof, der aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der rivalisierenden Gruppe von der Polizei abgeschirmt wurde, fanden sich tausend Trauergäste ein. Es war ein orthodoxes Begräbnis mit Gebeten und Gesängen. Die Bruderschaften aus der gesamten ehemaligen Sowjetunion, von Georgien bis Kasachstan, legten Kränze nieder. Die wory des ganzen Landes gaben einem der Ihren das letzte Geleit, einem der letzten Bosse alten Schlags.
    Es fehlte Mogilewitsch, der es, gerade erst aus der Haft entlassen, vielleicht vorzog, sich von den alten Freunden fernzuhalten.
    Warum Mogilewitsch nach all den Jahren, in denen man ihn in Ruhe ließ und er sogar der BBC ein Interview gab, 2008
    wegen Steuerhinterziehung als Berater einer Kosmetik-Handelskette verhaftet wurde, ist ein Rätsel. Vielleicht war es nur ein unfreiwilliger Scherz, der das Groteske und Absurde des russischen Humors widerspiegelt: wie in Gogols Meisterwerk, wo der Kollegienrat Tschitschikow einen makabren Betrug ausheckt, indem er die toten Seelen kauft, die verstorbenen, aber noch nicht aus den Registern

Weitere Kostenlose Bücher