ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Beispiel -, und schon ist die Sache geritzt, denn das Kokain nimmt die unvorstellbarsten Wege.
Curaijao bedeutet für Friedrich und für Ronald keineswegs dasselbe. Für den einen ist es ein Rettungsanker, für den anderen der Schlüssel zum großen Geld. Für den einen ist es die Lösung für das Loch in der Firmenkasse, das ihn in den Ruin zu treiben droht, für den anderen die Eintrittskarte in die bessere Gesellschaft. Für den einen wird es ein einmaliger Ausflug, dem anderen öffnet es das Tor zur Welt.
Kurz vor der Jahrtausendwende steht Friedrich vor dem Bankrott. Aber es gibt einen Freund aus früheren Zeiten, der ihm die benötigten 30 000 Mark leihen könnte.
»Ich habe dreißigtausend gute Gründe, dich um dieses Geld zu bitten, Michael (Name geändert)«, fleht Friedrich.
»Unsere Freundschaft reicht aus«, antwortet Michael.
Die beiden haben sich beim Motorradfahren kennengelernt, und was als eine Leidenschaft begann, ist für Michael zur Lebensphilosophie geworden. Er trägt die schwarze Lederweste der Hells Angels mit dem Totenkopf und den gelben Flügeln auf dem Rücken, und er lebt auch nach deren Motto: Alle für einen, einer für alle. Die Strukturen und Hierarchien der deutschen Rockerbanden stehen denen der berüchtigtsten kriminellen Organisationen kaum nach. In Deutschland gibt es die Hells Angels schon seit 1973. Die Biker bilden eine Art Familie. Der Einzelne tritt hinter der Gruppe zurück, Loyalität und Verschwiegenheit sind ehernes Gesetz.
»Ich kann dir das Geld jetzt nicht zurückgeben. Aber wenn du mir noch ein bisschen Zeit lässt... Vielleicht tut sich etwas, wenn dieser Auftrag des Bezirksamts ... «
Michael lässt ihn nicht ausreden. Wer sagt denn, dass man Schulden nicht auch in anderer Form begleichen kann? Der Plan ist einfach: Eine größere Ladung Kokain soll nach Berlin gebracht werden, und Friedrich könnte sich um die Logistik kümmern.
»Hast du nicht früher mal bei einer Spedition gearbeitet?«
Die Route steht fest: Curaijao - Portugal - Deutschland.
»Hast du nicht mal in Portugal gelebt?«
Friedrich kann nicht ablehnen. Es geht schließlich nur darum, einen einfachen Transport zu organisieren, Leute zu dirigieren und die Übergabe der Ware zu überwachen: Dinge, die ihm geläufig sind. Obendrein kommt noch ein Typ zu ihm, der sich als der »rote Holländer« vorstellt und eine Weste trägt wie Michael. Friedrich lässt sich nichts anmerken, als der »rote
Holländer« ihm ein Foto von seiner - Friedrichs - vierzehnjährigen Tochter zeigt, und er hält sich auch nicht mit der Frage auf, ob der Mann von seinem »Freund« Michael geschickt worden ist. Er hat jetzt keine Zeit für solche Dinge. Alles steht bereit.
In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre kommt das Kokain nach Deutschland, und Ronald will sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Jahrelang saß er immer wieder im Gefängnis, jetzt hat er die Chance, seinem Leben eine Wende zu geben. Anfangs dealt er nur gelegentlich, jeder beginnt ganz unten, doch wenn man sich geschickt anstellt, wenn man weiß, wo man seine Kunden findet und dass Hamburgs Schickeria nie genug von dem Pulver bekommt, kann man richtig ins Geschäft einsteigen. Ronald beliefert kluge Köpfe, Profis, Kreative und Showgirls aus dem Fernsehen, alle wollen das Zeug haben. Und er gibt es ihnen, soviel sie davon wollen. Ronald ist kein Aufschneider, er weiß, dass diese Yuppies sich die Dröhnung leisten können, und lieber bedient er ihr kostspieliges Laster als das Elend irgendwelcher Süchtigen. Er braucht nur eine Partie des Stoffs mit Mannitol oder Koffein zu strecken, und schon hat er 120 000 Mark verdient. An Nachschub mangelt es ihm nicht, es ist genug Koks in Umlauf, aber er steht am Ende der Lieferkette und weiß: Wenn er den großen Sprung schaffen will, muss er viel früher an die Ware kommen und direkt vom Hersteller beziehen. In den Jahren im Knast hat Ronald den Kreis seiner Bekannten stetig erweitert, und einer davon soll sein Hauptlieferant werden: Jimmi, ein von den Niederländischen Antillen stammender Holländer. Ihn fragt Ronald, ob er nicht jemanden aus seiner alten Heimat kenne, der mit Kokain handelt.
»Curaijao. Das ist das Paradies, mein Freund.«
Alles steht bereit.
Tausend Kilo weißes Pulver über den Ozean, dann auf dem Landweg quer durch Europa, von den windumtosten Küsten Portugals bis in die kalten Straßen Berlins. Um tausend Kilo Kokain in kleinen Päckchen zu transportieren, braucht man
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