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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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gestrichenen Leibeigenen. Der kleine Semjon kannte sich vermutlich gut aus, als er in der Schule zu diesem grundlegenden Roman der russischen Literatur geprüft wurde. Der Spott gilt diesmal dem »Weltpolizisten«, also den Amerikanern, die Al Capone bekanntlich gleichfalls wegen Steuerdelikten drangekriegt hatten. 2009 setzt das FBI Mo-gilewitsch auf die Liste der zehn meistgesuchten Kriminellen, zusammen mit Killern der mexikanischen Kartelle, Kinderschändern und Mördern, die ganze Familien ausgelöscht haben. Es gibt weitaus schwerwiegendere Vorwürfe gegen ihn, wie Bildung einer kriminellen Vereinigung, doch Hauptanklagepunkt ist der Betrug über die Firma YBM Magnex. Es kommt nicht darauf an, womit man ihn zu fassen kriegt, entscheidend ist, dass die Anklage der gerichtlichen Überprüfung standhält. Eine seit den Zeiten Chicagos bewährte Methode, die immer zum Erfolg geführt hat, denn das harte Regime der amerikanischen Gefängnisse wird oft mehr gefürchtet als der Tod. Die kolumbianischen Kartelle begannen sich aufzulösen, als die Narcos an die USA ausgeliefert wurden. Mo-gilewitsch sitzt jetzt bereits in Moskau ein, aber die Vereinigten Staaten haben kein Auslieferungsabkommen mit Russland. Am Ende wird er gegen eine Kaution freigelassen: ausnahmsweise bezahlt er einmal im Einklang mit dem Gesetz. Die Sprecherin des Innenministeriums erklärt zudem, die Anklage sei nicht so schwerwiegend, dass die Haft verlängert werden müsste. Zwei
    Jahre später entscheiden die Richter sogar, sämtliche Anklagepunkte fallenzulassen. Warum wurde Semjon Mogilewitsch dann überhaupt eineinhalb Jahre lang in einem Moskauer Gefängnis festgehalten? Jede Menge Mutmaßungen machen die Runde. Die heikelste betrifft den Streit zwischen Russland und der Ukraine über die Gaslieferungen. Neben dem russischen Staatskonzern Gazprom und dem ukrainischen Staatskonzern Naftogaz ist nämlich noch ein dritter Energieriese mit von der Partie: die in der Schweiz registrierte RosUkrEnergo, die zur Hälfte Gazprom, zur anderen Hälfte einem ukrainischen Oligarchen gehört, Dmitri Firtasch. RosUkrEnergo ist der Joker, der den Gasstreit beendet, welcher 2006 zur kurzzeitigen Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland in die Ukraine geführt hatte. Auch das übrige Europa hatte enormen Schaden erlitten, da die Energieversorgung über die ukrainischen Pipelines erfolgt. RosUkrEnergo zahlt den von Gazprom verlangten Preis und verkauft zu einem Drittel dieses Preises in die Ukraine. Das kann sich der Konzern leisten, weil er auch das billigere turkmenische Gas beschafft, vor allem aber, weil er über eine Lizenz verfügt, mit der er ohne Preisbeschränkung auf dem Weltmarkt verkaufen kann. 2008 lässt sich Julia Timoschenko, die dank ihrer Rolle während der orangenen Revolution zur Ministerpräsidentin aufgestiegen ist, auf eine Kraftprobe mit Wladimir Putin ein. Ein Punkt, bei dem Timoschenko nicht nachgeben will, ist der Ausschluss von RosUkrEnergo, da es zwischen Gazprom und Naftogaz keinerlei Vermittlung bedürfe. Doch die Krise hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Anfang Januar 2009 stellt Russland wegen der Schulden der ukrainischen Energiegesellschaft bei Gazprom und RosUkrEnergo erneut die Gaslieferungen in die Ukraine ein und reduziert die Lieferungen ins übrige Europa
    drastisch. Es droht damit, die Wirtschaft des gesamten Kontinents in die Knie zu zwingen und die Bevölkerung mitten im Winter frieren zu lassen. In der Slowakei wird der Notstand ausgerufen. Die Krise dauert zwei Wochen und wird auch für jene Länder besorgniserregend, die die Versorgungslücke durch andere Kanäle schließen können. Nach immer verworreneren Verhandlungen in Moskau, an denen sich auch die Spitzen der Europäischen Union beteiligen, treffen die Regierungschefs Russlands und der Ukraine am 17. Januar endlich eine Vereinbarung auf zehn Jahre, in der auch der Ausschluss von RosUkrEnergo festgeschrieben wird. Doch wegen dieser so entschlossen ausgehandelten Vereinbarung wird Julia Timoschenko 2011 vor Gericht gestellt und zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sie sitzt die Strafe bis heute ab und musste deshalb auch von der politischen Bühne abtreten. Der derzeitige ukrainische Präsident Janukowitsch, der Timoschenko bei den Wahlen 2010 besiegte, beeilte sich, RosUkrEnergo für die verlorenen Lieferungen die gerichtlich erstrittene milliardenschwere Entschädigung umgehend zu überweisen.
    Während der dramatischen Phase des

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