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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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die Arbeit zu konzentrieren, aber die Verluste in seiner Bilanz steigen, und die 300 Kilo Kokain lagern immer noch in seinem Büro. An einem regnerischen Nachmittag kommt Friedrich eine Idee.
    Fast fünfundzwanzig Jahre sind vergangen, seit Ronald ins Drogengeschäft eingestiegen ist. Manchmal denkt er daran, wie er sich unter gesitteten Leuten verstellt hat, bei einer Cocktailparty mit mehr oder weniger bekannten VIPs zum Beispiel, um dann unter einem billigen Vorwand einen potenziellen Kunden anzusprechen. Wie er Beschlagnahmen rekordverdächtiger Mengen Kokain und jahrelange Haft überstanden hat. Wie die Kolumbianer ihn einluden, damit er die Ware im Ursprungsland in Augenschein nehmen konnte. Wie er Unmengen von Geld für Autos und Frauen verprasst hat. Wie er dutzende Male seiner Vergangenheit abgeschworen hat, um dann jedes Mal wieder zu seinem alten Geschäft zurückzukehren. Wenn er an all dies denkt, ein Jahr vor seiner für 2014 geplanten Entlassung aus der Strafvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, dann, stelle ich mir vor, wird sein Grinsen über die kleinen Erfolge als unermüdlicher Drogenunternehmer zu schallendem Gelächter. »Ich bin einer, der das Leben liebt. Vielleicht zu sehr«, sagt er, wenn man ihn um eine Selbsteinschätzung bittet. Vielleicht stimmt das tatsächlich. Vielleicht liebt Ronald Miehling, genannt Blacky, genannt der Schneekönig, das Leben wirklich. Mit seinen dreiundsechzig Jahren versucht er, sich in der Modewelt neu zu erfinden, mit einem Label, das Klamotten im Gangsterlook vertreibt. Und er setzt sich für die Legalisierung von Drogen ein. In Zusammenarbeit mit einem Anti-Drogen-Verein geht er in Schulen und warnt die Jugendlichen vor Drogen. »Drogen sind schädlich«, erklärt er, und er muss es wissen.
    Ein Kilo mehr oder weniger, wer soll das schon merken. Friedrichs Freund Hartmut (Name geändert) weiß, wie man die Drogen an den Mann bringt. Friedrich händigt sie ihm aus, und das erste Kilo findet seine Abnehmer. Das bedeutet 55 000 Mark für den Bauunternehmer, der jetzt endlich aufatmen kann. Den Gedanken, dass es mit der Unbescholtenheit eines Mannes mit so vielen »Freundschaften« im kriminellen Milieu nicht weit her sein kann, lässt er gar nicht erst aufkommen.
    Ein Kilo mehr oder weniger, wer soll das schon merken. Und so zweigt Friedrich ein weiteres Kilo ab. Doch diesmal geht die Sache schief. Hartmuts Telefon wird abgehört, und die Polizei schlägt zu. Der nunmehr ehemalige Unternehmer bekommt mehr als dreizehn Jahre Haft aufgebrummt, aber dank seiner Zeugenaussage lässt er das gesamte Netz auffliegen, das er selbst mit geknüpft und das zum Import von 300 Kilo Kokain geführt hat. Wären sie nicht so vom Pech verfolgt gewesen, hätten dreimal so viel daraus werden können ...
    Wenn ich Ronald nach seinem Idol fragen könnte, würde er vielleicht antworten: Carlos Lehder Rivas. Dessen Mutter, eine Kolumbianerin, hatte sich in einen jungen Deutschen verliebt, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kolumbien emigriert war. Carlos ist ein Mythos, wie könnte es anders sein? Er ist an der Seite Pablo Escobars, als dieser das Medellin-Kartell gründet. Das allein würde ausreichen, ihn zu einem Stammvater des internationalen Drogenhandels zu machen. Wenn Ronald von Carlos spricht, schlägt er, so stelle ich es mir vor, ehrfurchtsvoll die Augen nieder - ganz so, als wäre dieser anwesend und als könnte er, Ronald, seinem Blick nicht standhalten. Wie wenn ein Fußballer über Pele spricht. Er kann nicht so tun, als wäre seine sportliche Leistung in irgendeiner Art mit der Peles vergleichbar. Es gibt Menschen, die eine Zäsur markieren, ein Vorher und ein Nachher. Carlos Lehder Rivas ist einer von ihnen. Doch ich bin überzeugt, dass Ronald nicht nur ehrfürchtigen Respekt für das luxuriöse Landhaus empfinden würde, in dem Carlos in den achtziger Jahren inmitten von Frauen, extravaganten Swimmingpools und Bodyguards lebte, oder für seine Machtstellung im Drogenhandel. Auf dem Gipfel seiner Karriere kontrollierte Carlos vier Fünftel der
    Drogenlieferungen in die USA, und Ronalds Miene würde keinen Neid bekunden, sondern einen Anflug von Selbstgefälligkeit, den er wohl nicht in Worte fassen könnte. Ist es nur Zufall, dass Ronald seine erste Schmuggelreise nach Curaijao organisierte, als Carlos gerade von einem US-amerikanischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt wurde? Oder hatten die Götter des Drogenhandels den Beschluss gefasst, dass nun ein anderer den

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