ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Girati-Clan angehörte. Wer weiß, wie viel sie ihm gegeben haben dafür, dass er mordete, Verrat übte und ins Gefängnis ging mit der Gewissheit, dass draußen schon ein Mörder auf ihn wartet?
Nach der Verhaftung von Joe Banana und Er Nino Ende 2012/Anfang 2013 ist noch nicht klar, wer das Kommando übernommen hat. Vermutlich sind es noch Jüngere wie Mario Riccio, einundzwanzig, Sohn eines Dealers aus Mugnano, der Karriere gemacht hat, indem er die Tochter von Cesare Pagano heiratete, des Bosses des gleichnamigen Clans, der zusammen mit den Amato zum Kern der Sezessionisten gehört. Er steht im Ruf, blutrünstig und fanatisch zu sein, und vielleicht ist das der Grund, warum der Clan unter seiner Führung Mitglieder eingebüßt und an Boden verloren hat. Oder der gleichaltrige Mariano Abete, Sohn des Bosses Arcangelo Abete, der während eines Hausarrests den Entschluss fasste, die Drogenhandelsplätze der Amato-Pagano unter seine Kontrolle zu bringen, und damit neue Spannungen innerhalb der Gruppe entfachte. Als Mariano seinen Vater im Gefängnis besuchte, weinte er um Ciro Abrunzo, der in Barra von zwei Killern auf einem Mofa
ermordet wurde. Sie gehörten vermutlich dem Girati-Clan an, dessen Absicht, sich alles unter den Nagel zu reißen, die Sezes-sionisten wieder zusammengeschweißt hat. Arcangelo verspricht ihm: »Wir werden ihn rächen.« Abrunzo hatte in die Gruppe der Sezessionisten eingeheiratet, war aber nicht vorbestraft. Dann brachten sie Raffaele Abete um, Marianos Onkel, und der Junge musste dafür sorgen, dass Rache geübt wurde. Als die Carabinieri auf sein Geheimversteck stoßen, resigniert die Mutter: »Mariano ist hier dahinter. Er ist unbewaffnet, tut ihm nichts.« Die Wohnung, in der er verhaftet wurde, liegt direkt über einem der Drogenumschlagplätze, die die Verbündeten seines Vaters den Amato-Pagano entrissen haben und nun gegen die Attacken des Girati-Clans zu verteidigen suchen.
Im kalabrischen Aspromonte höre ich ein Gelächter aufkommen, das der Wind auf das Tyrrhenische Meer hinausträgt und weiter bis in die Stadt am Vesuv. »Da seht ihr, wie ihr euch trennt und wieder zusammenschließt wegen der Cianfa di Cavallo, der Vela Celeste, der Case Celesti, der Case dei Puffi (»Häuser der Schlümpfe«) und des Viertels Terzo Mondo. Ihr selbst seid Terzo Mondo, Dritte Welt, ihr seid Kolumbien und Mexiko, allerdings in der Dimension von Schlümpfen.«
Und das schmerzt mich. Es schmerzt mich wie alles andere, wie die Gewissheit, Neapel verlassen zu müssen und lediglich in Gedanken und Worten dorthin zurückkehren zu können, auch wenn man mich mehr verachtet als die Kalabresen die Neapolitaner. Ich bin nie aus Neapel weggegangen. Nicht nur meine Gedanken sind dort. Ich ertrage auch den Hass, der unaufhörlich über mich ausgegossen wird, und ich nehme die Umarmungen entgegen, die mir Mut machen. Ich bin immer noch da. Von Neapel zu erzählen heißt ein bisschen, es zu
verraten, aber dieser Verrat weist mir meinen Platz zu. Den einzigen, der mir bisher gegönnt ist.
Mein Schmerz über das Blut, das auf den Straßen fließt, mein Schmerz über die Namen der immer länger werdenden Listen vergeht nicht, und wenn man noch so fest drauf pustet. Ein Schmerz, der nicht mal mit Merbromin vergeht, nicht mal, wenn man die Wunde vernäht. Er reicht so tief wie der allerschlimmste Schmerz: der körperliche Schmerz, der Schmerz über die eigenen Kinder, über das, was uns im Innersten berührt. Der Schmerz über den Tod, der nur dich betrifft. Solange jemand oder etwas mich nicht umbringt, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als auf meine Zahl zu setzen.
17 Hunde
Das Schicksal liegt in den Genen. Das dachte sich ein neapolitanischer Arzt, als er endlich dem Flehen seines Sohnes nachgab: Er würde ihm einen Hund schenken. Einen netten kleinen Hund, der ihm Gesellschaft leisten sollte. Eines Tages eröffnete er seinem Sohn, draußen auf dem Balkon erwarte ihn eine Überraschung, und ging im Geist noch mal durch, was er ihm gleich sagen wollte: Ein Hund ist ein empfindliches Wesen, das geachtet und erzogen werden muss. Man muss geduldig, aber auch streng sein, vor allem aber muss man ihm zu verstehen geben, dass der Rudelführer der Mensch ist. Freiheit ja, aber mit klaren Regeln. Unabdingbare Vorgaben, schon gar, wenn es sich um einen Jack Russell Terrier handelt, eine Rasse, die heute noch bei der Fuchsjagd eingesetzt wird. Sein unerschrockenes und überschwengliches Temperament würde für
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