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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Hier gab es alles, was er brauchte und für das er geübt hatte. El Salvador, gemartert in einem endlos langen Bürgerkrieg, den Christian 1980 zusammen mit dem Journalisten Jean-Michel
    Caradec’h dokumentierte. Er war der erste Fotoreporter, der Zugang zur Guerilla fand. »Er hat es nicht anders gewollt.« »Selber schuld.« »Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich irgendwann die Finger.« Wieder diese Kommentare, die auch diesmal richtig und zutreffend sind.
    Die Jahre vergehen, Erfahrungen sammeln sich an, man legt sich einen Schutzpanzer zu, aber der Knoten in den Einge-weiden geht nicht weg. Die Geschichten, die Christian im Film festhält, spürt er jetzt in sich. Sie kratzen und beißen und nagen von innen an ihm. Und wenn eine Geschichte dadrin rumort, liegt die Seele in den Wehen, und man findet keinen Schlaf und keinen Frieden, bis die Zeit der Niederkunft da ist.
    Sein erster Dokumentarfilm über El Salvador ist von 1991. Poveda macht sich in dem Land einen Namen. Dann endet der Bürgerkrieg, die Friedensabkommen werden unterzeichnet. Es sind die Jahre wiederaufkeimender Hoffnung und der Rückkehr vieler ins Ausland geflüchteter Salvadorianer in die Heimat. Während des Kriegs waren Tausende junger Leute ohne Familie in die Vereinigten Staaten gegangen, weil ihre Eltern ermordet worden waren oder weil ihre Mütter sie lieber in Sicherheit wussten, als der Gefahr und dem Elend des vom Bürgerkrieg geschundenen Landes ausgesetzt. Auch Deserteure und ehemalige Guerilleros suchten das Weite. Es entstehen die Maras, salvadorianische Banden, die sich afroamerikanische, asiatische und mexikanische Gangs aus Los Angeles zum Vorbild nehmen. Sie sind die neuen Familien der jungen Salvadorianer, die auf den Straßen Kaliforniens aufwachsen. Anfangs tun sie sich zusammen, um sich gegen andere Gangs zu verteidigen, die es auf die neuen Einwanderer abgesehen haben. Viele, die Jugendliche um sich scharen und eine Gang bilden, kommen aus der Guerillabewegung oder waren bei den
    Paramilitärs: nicht verwunderlich, dass der Aufbau dieser Banden und ihre Vorgehensweise an militärische Methoden erinnern. Bald sind die mexikanischen Gangs besiegt, und die salvadorianischen Gangs spalten sich in zwei große Familien von mareros, die sich nach der Nummer der Straße unterscheiden, die sie kontrollieren: die Mara 13, besser bekannt als Mara Salvatrucha, und die Mara 18, eine Abspaltung. Nach dem Ende des Bürgerkriegs liegt El Salvador am Boden, es herrscht Armut, und den Gangmitgliedern bietet sich die Gelegenheit, in die Heimat zurückzukehren. Viele nutzen sie, für andere entscheidet die amerikanische Regierung, um sich der Rowdys zu entledigen, die in US-Gefängnissen eine Strafe abgesessen haben.
    Die Maras haben heute Zellen in den Vereinigten Staaten, in Mexiko, in ganz Mittelamerika, in Europa und auf den Philippinen. In El Salvador zählen sie 15 000 Mitglieder, in Guatemala 14 000, in Honduras 35 000, in Mexiko 5000. Die USA sind mit 70 000 Mitgliedern Spitzenreiter. In Los Angeles gilt die Mara 18 als die größte kriminelle Gang überhaupt und nimmt als Erste Angehörige anderer Ethnien und Länder auf, zumeist Jungen zwischen dreizehn und siebzehn Jahren. Dieses Heer von Kindern verkauft vor allem Kokain und Marihuana auf der Straße. Keine großen Lieferungen. Sie sind nicht reich, sie bestechen keine Beamten, doch die Straße garantiert ihnen schnelles Geld und schnelle Macht. Sie sind das Kartell der kleinen Dealer, das auch in Erpressungen, Autodiebstähle und Mord verwickelt ist. Dem FBI zufolge sind die Maras die gefährlichste Straßengang der Welt.
    Bei den Maras ist alles verschlüsselt: Gesten, Tätowierungen im Gesicht, Hierarchien. Alles läuft über Regeln, die Identität schaffen. Das Ergebnis ist eine kompakte, äußerst wendige
    Organisation. Mara bedeutet »Gruppe«, »Bande« und verweist auf etwas Ungeordnetes, doch dank ihrer Gesetze und der Strafen, mit denen Regelverstöße geahndet werden, verstanden es diese Gangs, sich weltweit agierenden kriminellen Organisationen als zuverlässige Partner anzubieten. Der Ursprung des Namens Mara Salvatrucha ist umstritten. »Salvatrucho« ist der »junge salvadorianische Kämpfer«, es steckt aber auch salva in dem Wort, eine Hommage an das Heimatland El Salvador, und trucha, »gerissen«, »verschlagen«. Um in die Gang aufgenommen zu werden, muss man harte Prüfungen bestehen. Die Jungen müssen dreizehn Sekunden lang heftige Prügel einstecken:

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