ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
schreibt die Staatsanwaltschaft.
Ähnlich effektheischende, überzogene Äußerungen erlaubt sich der Fettkloß auch bei wichtigeren Verhandlungen. Er arbeite mit einem Familienclan zusammen, er sei kein Zigeuner, und in den zwanzig Jahren, in denen er im Drogenhandel mitmische, habe er noch nie 30 000 Euro pro Kilo bezahlt, entgegnet er den Kolumbianern, die ihn in seiner pompösen Villa in der ländlichen Emilia Romagna aufsuchen, um Divergenzen beizulegen, die in Ecuador eine Ladung von 1500 Kilo Kokain blockieren. Der deutsche Pilot der Maschine, der bereits einen Vorschuss von 100 000 Euro erhalten hat, weigert sich im letzten Moment, das Kokain ins slowenische Ljubljana zu bringen. Wieder macht sich Ventrici vor Angst in die Hose und befürchtet, diese Kehrtwende könnte darauf hindeuten, dass er einen Informanten der DEA engagiert hat. Nach Barbieris Ermordung beschließt Ventrici, die erste große Drogenlieferung, die er ohne den Ragioniere geplant hat, auf Eis zu legen. Den Rest erledigen die Staatsanwaltschaften Catanzaro und Bologna, die zwischen Januar und August 2011 eine Flut von Haftbefehlen erlassen und Beschlagnahmen durchführen.
Vincenzo Barbieri hatte wie sein compare die Drogenimporte mit engen Verwandten und persönlich ausgewählten Komplizen organisiert. Er wollte hoch hinaus und hatte sogar einen Agenten in Kolumbien, der im Departement Meta - wohin viele Cocaplantagen und Kokainküchen verlagert worden waren - eine Familie gegründet und das Restaurant La Calabrisella eröffnet hatte. Der Name klingt nach bitterem Sarkasmus, beschwört er doch nicht nur die Erinnerung an ein Volkslied, sondern auch an das in Kalabrien angebaute Marihuana. Aber auch diesmal läuft es nicht reibungslos. Im September 2010 werden in Kolumbien 400 Kilo Kokain beschlagnahmt, im November in Gioia Tauro eine ganze Tonne, die im Fahrgestell landwirtschaftlicher Anhänger versteckt ist. Barbieri, der die mit Fuduli erprobten Methoden der Tarnung variiert, bestellt aus Brasilien weitere 1200 Kilo reinsten Stoff, versteckt in Konservendosen mit Palmherzen. Der Container wird am 8. April 2011 im Hafen von Livorno beschlagnahmt. Da ist der Käufer bereits tot.
Doch noch als Toter löst Barbieri einen Riesenskandal aus. Erstmals taucht sein Name in allen Medien auf, ohne in der Flut der gleichförmigen Berichterstattung über Mafiakriminalität sofort wieder zu verschwinden. Die Antimafiastaatsanwaltschaft Catanzaro hat einen weiteren Nebenstrang der Hauptermittlungen eröffnet, Decollo Money. Die Öffentlichkeit erfährt es am 29. Juli 2011. Vincenzo Barbieri soll im Dezember 2010 den Direktor einer Bank in San Marino ins King Rose Hotel nach Granarolo bestellt haben, um ihm zwei Koffer mit Geldscheinen zu übergeben. Die 1,3 Millionen Euro landen auf einem Konto seines - Barbieris - Namens bei der Bank Credito Sammarinese. Ein gleich hoher Betrag wird einem Konto gutgeschrieben, das auf den Namen eines Verwandten lautet. Die Überweisung erfolgt durch Vermittlung von Honoratioren aus Nicotera. Aber das ist noch nicht alles. Die Bank, die im Zuge der Finanzkrise beträchtliche Liquiditätsprobleme bekommen hat, steht für 15 Millionen Euro zum Verkauf. Der Credito Sam-marinese führt bereits mit einer brasilianischen Bank Verhandlungen, doch Barbieri soll versprochen haben, diese Summe zu besorgen, was die Vermutung einer Übernahme der Bank durch die ’Ndrangheta nahelegt. Mit Unterstützung der Ermittlungsbehörden von San Marino beantragt die Staatsanwaltschaft die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den ehemaligen Bankdirektor Valter Vendemini, gegen den Präsidenten und Gründer der Bank Lucio Amati sowie gegen die ka-labrischen Vermittler und Inhaber bestehender Konten. Der Credito Sammarinese wird zur Liquidation im Verwaltungsweg gezwungen.
Die Meldung, es bestehe der Verdacht auf Geldwäsche, wurde von der Bank übermittelt, allerdings zu spät: am 31. Januar 2011, fünf Tage nachdem die Staatsanwaltschaft Catanzaro Barbieri im Rahmen der Ermittlungen Decollo drei erneut hatte verhaften lassen. In einem Interview räumt Ven-demini ein, die Nachricht habe ihn aufgeschreckt, so dass er gegensteuern wollte. Er muss also endlich im Internet recherchiert haben, denn im Fernsehen erklärt er zu seiner Rechtfertigung, »Barbieri und Konsorten« hätten »bereits auf internationaler Ebene Finanzgeschäfte abgewickelt, in Neuseeland«.
Barbieri wird kurz vor seiner Rückkehr nach Bologna ermordet. Vermutlich hat er
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