Zerrissenes Herz (German Edition)
kriegen. Irgendwann fand Charlie zu einer stillen Akzeptanz. Daisy zog mit ihm und Blake ins Bootshaus auf dem Gelände des Inn am Willow Lake. Im Schatten der stummen Sorge ihres Vaters widmete sie sich ganz und gar der Aufgabe, Charlie über alles hinwegzuhelfen.
Als sie Julian aufsuchte, um es ihm zu sagen, geschah das mit einem Gefühl der Niederlage, nicht der Freude. „Ich brauche Zeit“, sagte sie. „Ich muss mich auf Charlie konzentrieren. Und … ich bin noch nicht bereit, darüber zu sprechen.“
„Ich verstehe das“, erwiderte er, aber sie war nicht sicher, ob er das wirklich tat. Wie konnte ein Mann, der gefangen und gefoltert worden war, Mitgefühl mit jemandem wie ihr haben? Er nahm ihre Hände in seine. Es war das erste Mal, dass sie sich seit seiner Rückkehr berührten, und Daisy hätte beinahe geweint, so gut fühlte es sich an.
„Ich muss eine Weile fortgehen“, sagte er.
Sie entzog ihm ihre Hände. „Fort? Wohin?“ Nein, dachte sie.
Die Air Force konnte ihn ihr nicht schon wieder nehmen. Dann erinnerte sie sich schnell daran, dass sie ihn gar nicht hatte.
„An einen Ort mit einem eindrucksvollen Namen. Das ‚Haven Behavioral War Heroes Hospital‘. Dort behandeln sie Militärangehörige mit kriegsbedingten Verhaltensstörungen und posttraumatischem Stresssyndrom.“
Sie konnte vor Angst kaum atmen. Seine Erholung schien so schnell gegangen zu sein, und er sah so gesund aus. Aber innerlich blutete er immer noch aus verborgenen Wunden. Sie war ein Dummkopf gewesen, zu glauben, er würde sein Leben einfach wieder da aufnehmen, wo es unterbrochen worden war. Es gibt Dinge, dachte sie, die nicht einmal die Liebe heilen kann.
„Oh, Julian. Natürlich musst du dahin gehen.“ Sie nahm wieder seine Hände.
„Anweisung vom Arzt.“
„Ja.“
„Aber, Daisy – tu mir einen Gefallen.“
„Alles, was du willst.“
Er schenkte ihr dieses besondere Lächeln, bei dessen Anblick ihr immer fast das Herz geschmolzen war – und es noch immer tat. „Warte auf mich!“
„So lange, wie es dauert“, antwortete sie leise. Sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen. Was geschehen war, hatte sie beide stark leiden lassen und mit Blessuren zurückgelassen. Sie betete, dass sie beide eines Tages wieder geheilt sein würden und endlich den Weg zueinander finden würden.
Die Tage wurden zu Wochen und dann zu Monaten. Daisy fand ein eigenes Häuschen für sich und Charlie. Sie musste sich von ihrem Vater und ihrer Stiefmutter lösen, weil die Versuchung zu groß war, sich wieder in die Abhängigkeit von ihnen fallen zu lassen. Tief in sich spürte Daisy, dass es richtig gewesen war, sich von Logan zu trennen. Dennoch wurde sie von Schuldgefühlen und Trauer heimgesucht. Die täglichen Telefonate mit Julian boten ihr einen kleinen Hoffnungsschimmer. Trotzdem wusste sie, dass sie erst wieder lernen musste, auf eigenen Füßen zu stehen, bevor sie überhaupt nur daran denken konnte, mit jemand anderem zusammenzuleben – sogar wenn dieser Jemand Julian war.
„Es kommt mir irgendwie so … zwecklos vor“, erzählte sie Sonnet, die für ein Wochenende vorbeigekommen war, um ihr beim Umzug zu helfen. „Es ist so, als hätte ich diesen riesigen Fehler gemacht und …“
„Wow, stopp mal!“ Sonnet stellte einen Korb mit Kleidung hin, den sie ins neue Haus getragen hatte. Daisy hatte am See ein Häuschen zur Miete gefunden, dessen Grundstück hundesicher eingezäunt war und das sogar einen Steg hatte. Es war niedlich, fühlte sich aber nicht wie ein Heim an. Sie wusste nicht mehr, was ein Zuhause war.
Sonnet wandte sich zu ihr. „Du hast unter den Umständen die bestmögliche Wahl getroffen, und es war kein Fehler.“
„Aber Charlie …“
„Wird wieder in Ordnung kommen. Er hat immer noch eine Mom und einen Dad, die ihn beide lieben. Er fühlt sich sicher und weiß, dass das Leben gut ist. Das ist alles, was ein Kind braucht. Glaub mir, ich weiß das.“
Daisy musterte Sonnet, ihre Stiefschwester, ihre beste Freundin, einen Moment lang, und tiefe Dankbarkeit stieg in ihr auf. Sie war das beste Beispiel dafür, was aus einem Kind werden konnte, das von seiner Mutter allein aufgezogen worden war. „Ja, du weißt das. Tut mir leid, dass ich hier über meine Situation jammere. Du hast so etwas tatsächlich durchlebt, und aus dir ist etwas ganz Besonderes geworden.“ Das stimmte. Sonnets Eltern – ihre Mutter Nina und ihr Vater, ein ambitionierter afroamerikanischer
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