Zerstörte Seelen
Rizzo fehlten?»
«Beide», sagte Darby. Sie starrte auf das dunkle Gewirr ungewaschenen Haars, das über den Rand der Maske quoll.
Keine Maske
, verbesserte sie sich.
Er trägt das Gesicht eines anderen Mannes.
«Kommen Sie näher.» Charlie richtete die Pistole auf sie. «Ich möchte, dass Sie das sehen … Das ist nah genug.»
Darby blieb etwa eine halbe Armlänge von dem Stuhl entfernt stehen. Wenn sie noch etwas dichter an Charlie herankam, konnte sie einen Angriff riskieren.
Charlie öffnete den letzten Knopf. Mit der freien Hand schob er den Stoff beiseite und ließ ihn über seine Schulter gleiten, damit sie einen ungehinderten Blick auf seinen nackten Körper hatte.
Seine ausgezehrte Brust war so weiß, dass sie im Kerzenlicht zu leuchten schien. Breite, wulstige Narben verliefen kreuz und quer über die helle Haut. Einige waren weiß, andere pinkfarben oder rot. Manche waren frisch, noch geschwollen und blutverkrustet. Beide Brustwarzen fehlten. Darby sah auch, dass man ihn zum Eunuchen gemacht hatte.
Sie starrte auf die breite weiße Narbe an der Stelle, wo früher seine Genitalien gewesen waren, spürte einen kalten Klumpen im Magen und den Schweißfilm, der sich unter der schweren taktischen Weste auf ihrer Haut bildete.
«Wer gleich mit
zwei
fehlenden Brustwarzen zur Welt gekommen ist, gehört zu einem ziemlich exklusiven Club. Da sind Sie sicher meiner Meinung.»
Eigentlich musste Darby ihm zustimmen, doch angesichts der zahllosen Narben war es unmöglich zu sagen, ob die Brustwarzen nicht vielleicht später entfernt worden waren. Die langen, tiefen und schartigen Narbengebilde, die fast jeden Zentimeter seiner Brust bedeckten, sahen aus, als stammten sie von einem Fleischmesser.
«Glauben Sie mir jetzt? Dass ich Charlie Rizzo bin?»
«Ja.» Darby wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. Der Teufel sollte sie holen, wenn nicht inzwischen ein Teil von ihr tatsächlich glauben wollte, dass der Mann, der kaum eine halbe Armlänge von ihr entfernt stand, Charlie Rizzo war.
Und das Streifenmuster auf seiner Brust und den Beinen – weshalb wirkt es so vertraut?
«Die Maske», sagte sie. «Wessen Gesicht ist das?»
«Das ist eine
wirklich gute
Frage», antwortete Charlie. Er wand sich wieder in die Tunika, schloss hektisch einen einzelnen Knopf und packte dann Mark Rizzo an den Haaren.
Der Mann stieß vor Schmerz oder Schreck einen erstickten Schrei aus. Aus den zugeklebten Mündern seiner Töchter drangen erstickte Wimmerlaute. Doch Mark Rizzos unverletztes Auge sah nicht zu ihnen hinüber. Darby beobachtete Charlie. Ihre Finger steckten noch immer im Ärmel ihres Shirts. Sie schlossen sich um die Ausbuchtungen des Messergriffs.
Komm schon. Gib mir eine Chance …
«Jetzt, Daddy», sagte Charlie. Dabei sah er Darby direkt ins Gesicht. Er stand nun hinter dem Stuhl und drückte die Pistolenmündung an Mark Rizzos Schläfe. «Sag Dr. McCormick, weshalb du hier liegst.»
Mark Rizzo öffnete den Mund. Blut triefte auf sein Kinn. Er leckte seine geschwollenen, aufgeplatzten Lippen und versuchte dann zu sprechen.
Darby konnte ihn nicht verstehen. Sie atmete weiterhin durch den Mund, nicht durch die Nase, denn der Gestank, den Charlie verströmte, hatte ein so übelkeiterregendes Ausmaß angenommen, dass ihr sogar die Augen davon tränten.
«Sprich lauter,
Daddy
. Nicht so schüchtern. Fang mit dem Tag an, an dem ich entführt wurde.»
Rizzos unverletztes Auge verdrehte sich benommen.
«Charlie», sagte Darby, «warum erklären Sie mir nicht …»
«
NEIN
»
, brüllte er und richtete die Pistole auf sie. «Auf diesen Augenblick habe ich eine Ewigkeit gewartet! Das war das Einzige, was mich über all die Jahre am Leben gehalten hat!»
Darby starrte auf die Pistole wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht. Das Adrenalin, das durch ihre Adern jagte, drängte sie zum Angriff. Sie musste sich zwingen, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen.
«Erzählen Sie mir, was er Ihnen angetan hat», sagte sie. «Sagen Sie es mir, und ich verspreche, ich …»
«Wir gehen
NIRGENDWO hin, bis er gesteht! Er muss es sagen. Deshalb habe ich Sie hergeholt! Sie müssen es direkt aus dem Mund dieses Ungeheuers hören. Ich will, dass die ganze Welt erfährt, WAS ER MIR ANGETAN HAT !»
Charlie zitterte vor Wut, ließ Darby aber nicht aus den Augen. Er beugte sich zu Mark Rizzos Ohr und zischte: «Sag’s ihr, Daddy. Erzähl der netten Dame von dem Tag, an dem ich entführt wurde – sag ihr, warum sie mich
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