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Zerstörte Seelen

Zerstörte Seelen

Titel: Zerstörte Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Mooney
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bitte dieser Aufwand?
    Weil ich nicht glaube, dass du bei der Army bist.
    Darby hatte keine Beweise dafür, nur ein vages Bauchgefühl. Sie kannte etliche Soldaten, die im Irak oder in Afghanistan eingesetzt worden waren. Fast jeder von ihnen trug stolz irgendeine Art von militärischem Tattoo auf dem Unterarm oder Bizeps. Das gehörte zu den Männlichkeitsritualen. Ihr Vater, ein Ex-Marine, hatte sich ebenfalls Bilder auf die massigen Oberarme stechen lassen: auf den rechten das USMC -Wappen in blassem Blau und auf den linken ein buntes und viel aufwendigeres Tattoo – die klassische USMC -Bulldogge und die Worte
Semper Fi
.
    Billy Fitzgerald hatte keine Tätowierungen. Für sich genommen war das noch nicht allzu ungewöhnlich. Aber auch sein Haarschnitt entsprach nicht den militärischen Vorschriften. Ganz zu schweigen von dem Dreitagebart.
    Darby faltete die Blätter zu einem kleinen Rechteck zusammen. Sie wickelte sie in ein Papierhandtuch und steckte sich das Päckchen vorn in die geräumige Krankenhaus-Großmutter-Unterhose, die man ihr gegeben hatte. Die schlabberige OP -Hose verdeckte die kleine Beule. Sie trat mit dem Fuß auf den Abzug, dann wusch sie sich die Hände.
    Als sie aus der Toilette spazierte, bellte der G.I. Joe namens Anthony ihr entgegen, sie solle ihren Arsch gefälligst wieder im Rollstuhl parken.
    Darby rollte ihn aus der Toilette. Dabei dachte sie kurz darüber nach, wie einfach es wäre, diesen beiden Jungstieren eine Lektion zu erteilen. Massige Kerle mit Angebermuskeln waren es nicht gewohnt, Prügel einzustecken. Vor allem nicht nach Darbys Methode und schon gar nicht von einer Frau. Zwei Schläge für jeden, vielleicht auch vier, und sie würden schluchzend auf den Knien liegen.
    Aber dies war weder die Zeit noch der Ort dafür. Sie setzte sich wie ein braves kleines Mädchen und wartete, während Anthonys Partner, Weeks, die Riemen aus dem Mülleimer fischte.
    Als Darby wieder festgebunden war, zückte Weeks ein schwarzes Stück Schaumgummi. Es hatte die Form einer Augenmaske, wie man sie benutzte, wenn man bei Licht schlafen wollte.
    «Was ist das?», fragte sie.
    «Wir müssen Ihnen die Augen verbinden.»
    «Wozu?»
    Weeks gab ihr keine Antwort. Er drückte ihr einfach das schwammige Material aufs Gesicht. Dort hielt er es einen Moment lang fest, und als er die Hand wieder wegnahm, fing der Stuhl an zu rollen.
    Darby bewegte die Augen. Sie hoffte, wenigstens an den Rändern etwas sehen zu können. Doch die Maske ließ keinerlei Licht durch.
    Notgedrungen konzentrierte sie sich auf ihre anderen Sinne. Weeks und Anthony redeten nicht – niemand sagte etwas. Außer dem gelegentlichen Quietschen einer Schuhsohle auf dem polierten Linoleumboden hörte sie nur das Summgeräusch von Türöffnern und das Klicken, wenn die elektronisch gesteuerten Stahlbolzen der Schlösser wieder hinter ihnen einrasteten. Der Rollstuhl bewegte sich immer weiter. Er wurde durch einen endlos scheinenden Korridor voll warmer Luft geschoben, die schwach nach einem scharfen Industriedesinfektionsmittel roch.
    Schließlich hielten sie an. Türen glitten hinter Darby zu. Der Boden bebte ein wenig, und dann ging es abwärts.
    Der Lift kam zum Stehen, die Türen öffneten sich. Kalte Luft und Auspuffgase. Eine Tiefgarage, dachte Darby. Hallende Schritte. Dann das unverkennbare Motorengeräusch eines Wagens im Leerlauf. Hände machten sich an den Klettriemen zu schaffen, packten sie an den Handgelenken und zogen sie hoch. Sie spürte kalten Beton unter den nackten Füßen.
    «Losgehen», sagte Weeks.
    Sie tat es. Der Kerl hatte einen ausgeprägten Bostoner Akzent. Ein Einheimischer. Gut.
    «Stopp», sagte Weeks.
    Darby blieb stehen. Eine Hand legte sich an ihren Hinterkopf und drückte sie nach unten. Im Inneren des Wagens spürte sie kühles Leder unter den Fingern. Aus Düsen blies ihr warme Luft entgegen. Sie orientierte sich mit Hilfe ihrer Hände. Dann schlug die Tür zu.
    Der Wagen fuhr los. Darby betastete die Augenmaske. Sie war dick und gummiert und klebte auf ihrer Haut.
    «Die Maske behalten Sie auf, bis wir bei Ihrer Wohnung sind», sagte Weeks. Er saß neben ihr. Darby roch den Zigarrenrauch, der in seinen Kleidern hing. «Wenn Sie versuchen, das Ding abzureißen, bleiben Ihre Augenbrauen und mit Sicherheit auch ein paar Hautfetzen daran hängen.»
    Darby lehnte sich zurück und brodelte still vor sich hin. Sie fragte sich, was hinter dem aufwendigen Räuber-und-Gendarm-Spiel steckte. Wo sie sich

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