Zerstörter Traum vom Ruhm
und Vergessen beim Wein gesucht. Und nun – mit dem letzten Tropfen der Flasche – war wieder alles anders und total verfahren und vollkommen verwirrt.
Nun liebte sie Poltecky wieder und hatte Sehnsucht nach seinen streichelnden Händen, seiner Stimme, seinen Augen, seinen Lippen.
Sie wußte nicht mehr, wie sie ins Bett gekommen war. Am nächsten Morgen erwachte sie mit einem Kopf, der zu zerspringen drohte. Sie legte einen nassen, kalten Waschlappen auf die Stirn und starrte an die Decke. Wenn sie den Kopf bewegte, war es, als hämmerten tausend kleine Teufelchen auf ihren Nerven herum.
Durch den Briefschlitz der Tür fiel die Morgenpost. Drucksachen, die Telefonrechnung – Carola sah es vom Bett aus an dem Umschlag –, eine Frauenzeitschrift, die Tageszeitung.
Seufzend stand sie auf, ging barfüßig zur Tür, nahm die Zeitung und ging zum Bett zurück.
Sie las zuerst die Kulturseite, dann ›Aus aller Welt‹. Eine kleine Meldung überlas sie:
»In Hamburg wurde Herwig Walker wegen mehrfachen Betruges verhaftet. Walker hatte eine Filmgesellschaft gegründet und eine Reihe von Personen um ihr Geld geprellt. Die ›Astoria-Film‹, wie er seine fingierte Gesellschaft nannte, hat nie einen Film hergestellt. Trotzdem gelang es ihm, über 350.000,- DM zu erschwindeln.«
Einen Augenblick stutzte Carola bei dem Namen ›Astoria-Film‹. Es war ihr, als habe sie den Namen schon irgendwo einmal gehört. An Poltecky dachte sie nicht – sein Film wurde ja gedreht, wie er schrieb. Die Außenaufnahmen waren am Rhein, in einer Woche kam er nach Fulda.
Sie blätterte um und las auf der anderen Seite weiter.
Joe Dicocca steuerte selbst den Wagen.
Zehn Minuten vor der mit Erna Vorwerck ausgemachten Zeit pendelte er auf der Rheinpromenade hin und her, fuhr um einige Häuserblocks herum und beobachtete dabei eingehend die Umgebung.
Er sah nichts Verdächtiges. Keine gewollt langweilig Herumstehenden, keine fremden Andenkenverkäufer, keinen Eismann, der mehr in die Gegend schaute als auf seine Waffeln, keinen Straßenkehrer, der immer die gleiche Stelle fegte, obwohl sie längst sauber war.
Sie hat doch nicht die Polizei verständigt, dachte Dicocca zufrieden. Es scheint so, als habe ich einen Goldfisch mit dem richtigen Köder eingefangen.
Was Joe Dicocca nicht sah, war die gute Regie des kleinen Mannes mit den grauen Bürstenhaaren.
Auf dem Rhein lag ein altes Boot. Zwei Matrosen strichen es mit weißer Farbe an. Der Fahrkartenverkäufer in dem Pavillon der Rheinschiffahrts-Gesellschaft war ausgewechselt worden. Mitten auf dem Rhein lag ein Schleppkahn. Hinter dem Glas der Kajüte saßen zwei Beamte an einem scharfen Scherenfernrohr und ließen die Bank, auf die sich Erna Vorwerck setzen sollte, nicht aus dem Fadenkreuz der Okulare. Nicht weit von dem Schiffahrtspavillon stand ein Kleinwagen an der Straße, umlagert von neugierigen Jungen. Das Auto hatte eine Reifenpanne, und ein Mann in einem hellen Sommeranzug wechselte fluchend das Rad. Er wurde von den Umstehenden mit guten Ratschlägen gefüttert, was ihn anscheinend noch wütender machte. Dicocca sah diese Szene beim langsamen Vorbeifahren und lächelte breit. So eine Panne ist verflucht, dachte er. Vor allem, wenn man einen hellen Anzug anhat. Außerdem lenkt diese Panne die Leute von der Bank ab.
Pünktlich kam Erna Vorwerck die Rheinpromenade herab. Sie hatte den dicken Briefumschlag neben der Handtasche unter den Arm geklemmt und stellte sich, als sie die Bank, die Dicocca ihr bezeichnet hatte, mit einem alten Mann besetzt fand, an den Rhein und sah dem Schleppkahn zu, auf dessen Laufgang ein Matrose stand und die Planken schrubbte.
In der Kajüte beobachtete man Erna durch das Scherenfernrohr.
»Das ist sie«, sagte der eine Beamte. »Jetzt geht's los!«
Joe Dicocca fuhr wieder um den Häuserblock am Rhein. Der alte Mann auf der Bank störte sein Konzept. Aber wie kann man einem alten Mann verbieten, sich auf einer öffentlichen Bank auszuruhen?! Auch entfernen kann man ihn nicht – man kann nur Geduld haben.
Erna Vorwerck ging ein paarmal um den Schiffahrtspavillon herum. Dann setzte sie sich auf die Bank, an das andere Ende, und legte die Tasche mit dem Brief neben sich. Sie schlug die Beine übereinander, nahm dann ihre Tasche und holte Puder und Lippenstift hervor. Ohne auf die Blicke des alten Mannes zu achten, besah sie sich ihre Lippen und die Wangen in dem kleinen Puderdosenspiegel und begann, sich zu schminken.
Dem alten Mann schien
Weitere Kostenlose Bücher