Zerstörter Traum vom Ruhm
dies zu mißfallen. Er räusperte sich, erhob sich und ging brummend an Erna Vorwerck vorbei die Rheinpromenade weiter hinab.
Dicocca schlug vor Freude mit der flachen Hand auf das Lenkrad seines Wagens. Gut macht sie das, freute er sich. Wie eine gelernte Agentin! Das Mädel hat Talent! Er fuhr auf die andere Seite der Uferstraße und wartete.
Erna Vorwerck klappte ihre Tasche zu, klemmte sie unter den Arm und stand von der Bank auf. Das Kuvert blieb liegen. Dann ging sie langsam, ohne sich umzusehen.
Mit dem Aufstehen Ernas von der Bank begann bei den Beobachtern atemlose Spannung und Konzentration.
Die beiden Matrosen, die den Kahn strichen, ruhten sich aus, in der Kajüte des Schleppkahns umklammerte der Beamte am Scherenfernrohr das eiserne Stativ. Der Mann im hellen Sommeranzug hatte seinen Reifen endlich angebracht und trocknete sich die verölten Finger an einem Lappen ab. In der Fahrkartenausgabe der Dampferlinie schloß der Verkäufer einen Augenblick den Schalter und schob eine Kamera seitlich hinter das Klappfenster.
Und auch Joe Dicocca wartete. Mit laufendem Motor, die rechte Hand im Handschuhkasten liegend. Dort umklammerte er eine automatische Pistole.
Über die Rheinpromenade schlenderte ein junger blonder Mann. Hellgraue Hose, offenes weißes Hemd. Er sah die freie Bank, beschleunigte den Schritt, als habe er Angst, jemand anderes könnte den schönen Platz wegnehmen, und setzte sich.
Im Pavillon klickte zum erstenmal die Kamera. Im Scherenfernrohr sah man deutlich das Gesicht des jungen Mannes. Ein frisches, offenes, nettes Jungengesicht. Der Beamte zuckte mit den Schultern. »Kein Bekannter«, sagte er leise, als könne man es über den Rhein hinweg hören. »Guck du mal!«
Auch der andere Beamte in der Kajüte schüttelte den Kopf.
Sie warteten weiter.
Nach fünf Minuten stand der junge Mann wieder auf. Das Kuvert lag nicht mehr auf der Bank. Der junge Mann schlenderte über die Straße auf Dicoccas Wagen zu, stieg ein, und der Wagen fuhr schnell davon.
Aus dem Pavillon stürzte der kleine Mann mit den grauen Bürstenhaaren. »Na?« rief er dem Mann mit der Autopanne zu. »Was ist?«
»Die Autonummer haben wir«, sagte der. »Die Fahndung kann losrollen.«
Martina Schneewind hatte sich alles genau und lange überlegt, ehe sie handelte. Sie hatte an ihrem Plan, mit Direktor Herwig Walker zu sprechen und einen Vertrag für Franz v. Poltecky auszuhandeln, festgehalten.
Franz war am Rhein zu den Außenaufnahmen seines Filmes, die Worte des Schulrates, daß ein künstlerischer Beruf immer etwas Unsicheres und von den Launen des Schicksals, des Könnens und des Publikums abhängig sei, waren nicht zu widerlegen, und auch sie selbst empfand eine Scheu vor der Zukunft, die man ihr zwar golden geschildert hatte, die aber in keiner Weise mit der Sicherheit eines Beamtendaseins vergleichbar war. Das alles bestärkte sie in ihrem Entschluß.
Nach dem Abschluß des Lehrganges rief sie sofort bei der Astoria-Film an. Es meldete sich ein Maklerbüro.
»Wieso Verkauf von Häusern und Grundstücken?« fragte Martina und sah noch einmal auf den Briefkopf der Filmgesellschaft. Die Telefonnummer stimmte. »Ich möchte Herrn Direktor Walker von der Astoria-Film sprechen.«
»Dann wenden Sie sich am besten an das Untersuchungsgefängnis«, sagte Herr Dallmayer, der Grundstücksmakler. »Sie sind in einer Woche der dreiundsechzigste Anrufer! Dieser Walker muß ein Genie gewesen sein! Wer so viele Leute betrügt, sollte einen Lehrstuhl für Psychologie bekommen.«
»Betrügen?« Martina umklammerte den Telefonhörer, als wolle man ihn ihr entreißen. »Aber was reden Sie denn da? Am Rhein werden doch die Außenaufnahmen gedreht …«
»Und der Schlußakt im Hamburger Landgericht!« Herrn Dallmayers Stimme war fast mitfühlend, als er weitersprach. »Wer hat Ihnen denn den Bären von den Außenaufnahmen aufgebunden, mein Fräulein?«
»Das ist kein Bär!« rief Martina empört. »Mein Bräutigam ist selbst am Rhein bei den Aufnahmen. Er ist der Drehbuchautor des Films. Franz v. Poltecky.«
»Ein langer, schmaler Herr mit ergrauten Schläfen?«
»Ja.«
»Der war hier, kurz nachdem ich das Büro übernommen hatte. Erst dachte ich, es sei ein Verrückter, so stellte er sich an. Dann rannte er aus dem Büro und fluchte. Ein Gipsbein – ich erinnere mich genau – hatte er auch.«
»Das war Franz«, sagte Martina Schneewind schwach.
»Wenn er das war, wie kann er dann zu den Außenaufnahmen am Rhein
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