Zerstörter Traum vom Ruhm
unerschütterliche Glaube Martina Schneewinds ergriff auch ihn, und es tat ihm körperlich weh, diesen Glauben zerstören zu müssen.
»Ein Gauner kann lügen, daß selbst der Teufel errötet.«
»Franz ist kein Gauner!« Martina fuhr zu Baumann herum. »Er mag leichtsinnig sein …«
»Wer 14.000 Mark erschwindelt, dürfte ein schwerer Junge sein. – Hätten Sie ihm Ihr ganzes erspartes Geld gegeben, wenn er nicht zu Ihnen gesagt hätte: ›Ich heirate dich‹?«
Martina Schneewind schwieg. Die Frage war klar, und die Antwort auch. Aber sie sprach sie nicht aus. Kommissar Baumann zuckte mit den Schultern.
»Na also!« antwortete er an ihrer Stelle. »Natürlich nicht. Und als er Ihr Geld hatte, schwindelte er Ihnen Außenaufnahmen am Rhein vor und verschwand. Daß er nun seinerseits von einem noch größeren Gauner betrogen wurde, ist ein tragikomischer Scherz des Schicksals. Sie müssen doch zugeben, daß Polteckys Verhalten in den letzten Wochen sehr – sagen wir es vorsichtig – merkwürdig war.«
»Ja.«
»Er hat Ihnen geschrieben?«
»Jede Woche.«
»Und was?«
Martina schwieg wieder. Er hat von den Außenaufnahmen berichtet, dachte sie. Er hat sogar Bilder geschickt. Er hat von neuen Filmplänen geschwärmt, von einer herrlichen Zukunft in einem kleinen Haus mit einem großen Garten draußen an der Unterelbe.
Sie drehte sich zum Fenster und senkte schluchzend den Kopf. Kommissar Baumann nahm seinen noch nassen Mantel vom Sessel und zog ihn wieder an.
»Kommen Sie morgen früh zu mir ins Präsidium«, sagte er mit tröstender Stimme. »Wir müssen eine Anzeige machen.«
»Nein!«
»Wir kommen nicht mehr drum herum. Wir können doch nicht eine strafbare Handlung decken! Ist er wirklich unschuldig, so wird der Richter ihn freisprechen. Nur muß die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen.« Er öffnete die Tür und drehte sich in ihr noch einmal um. »Morgen um 9 Uhr, Fräulein Schneewind – Zimmer 217.«
Martina nickte.
Bankier Stephan Opperberg fand am nächsten Morgen die Wohnung Erna Vorwercks verschlossen. Auch als er nach zwei Stunden noch einmal schellte, öffnete ihm keiner.
Von dem Hausmädchen des Chirurgie-Professors im Erdgeschoß erfuhr er dann, daß er um einige Stunden zu spät gekommen war.
»Verhaftet hat man ihn«, sagte das Mädchen. »Stellen Sie sich das vor! In unserem Hause die Kriminalpolizei! Und dann die arme Frau Vorwerck! Läßt sich mit einem Heiratsschwindler ein! Das kann sie die Stellung beim Auswärtigen Amt kosten.«
Opperberg verließ sehr nachdenklich das alte Haus in der Amalienallee.
Nie durfte Julia erfahren, was geschehen war.
Das war zunächst das erste, was der Bankier überlegte. Das glückliche Leuchten in den Augen seiner Tochter, ihr helles Lachen nach den schrecklichen Jahren der Schweigsamkeit, ihr wiedergewonnenes Vertrauen zum Leben, das alles würde wieder zusammenbrechen und umschlagen in tiefste Resignation, wenn Julia die Wahrheit erführe.
Stephan Opperberg fuhr von Godesberg sofort nach Bonn und wurde nach einigen Rückfragen und langem Herumsitzen in Amtszimmern zu dem kleinen Herrn mit den grauen Stoppelhaaren geführt. Er saß hinter einem mit vielen Akten bedeckten Schreibtisch und war nicht erstaunt, Opperberg bei sich zu sehen.
»Ich habe so etwas erwartet, Herr Konsul«, sagte er. »Sie kommen, um die Freilassung Polteckys durch eine Kaution zu erwirken.«
»Können Sie Gedanken lesen?« fragte Opperberg verblüfft.
»Es ist Logik. Poltecky wurde verhaftet, als er von Ihnen zurückkehrte. Er hat einen blendenden Eindruck auf Sie gemacht – mehr noch auf Ihre Tochter. Das ist seine Spezialität. Der Bengel hat eine Ausstrahlung auf die Frauen, die uns Männern unverständlich ist. Selbst meine Stenotypistinnen verdrehten die Augen, während sie das Stenogramm seiner Aussage aufnahmen. Damit hat er Geld verdient, der gute Poltecky. Ein kleiner Falschmünzer der Herzen. Aus Sehnsucht und Gefühlen prägt er harte Geldstücke. Aber das wäre kein Grund, ihn nicht gegen eine Kaution freizulassen, vor allem, wenn Sie für ihn bürgen, Herr Konsul. Nur ist da noch etwas. Poltecky ist nicht allein ein Nachfolger Casanovas, sondern auch ein Politikum. Und da versagen alle Kautionen.«
»Ich weiß. Die Spionageanträge. Spricht es nicht für Poltecky, daß er sich so tapfer dabei geschlagen hat und wirklich Charakter zeigte?«
»Charakter?« Der kleine Mann mit den eisgrauen Stoppelhaaren lächelte mokant. »Vielleicht war es nur Angst?
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