Zerstörter Traum vom Ruhm
Ganz gemeine Angst? So mancher ist durch eine Tat der Angst zu einem Helden geworden.«
»Ich kenne die Geschichte Polteckys. Er hat mir alles erzählt.«
»Alles? Auch das mit den drei Frauen?«
»Auch.«
»Und trotzdem halten Sie Ihre Hand über ihn?«
»Ich betrachte das alles als eine Kette tragikomischer Zufälle. Poltecky wäre bereit gewesen, für die große Chance, einen Film schreiben zu können, alles zu verschenken – seinen Namen, seine Liebe, sein ganzes bisheriges Leben. Er war ja nicht mehr auf der Erde. Er ritt auf dem Flügelroß der Dichter durch den Himmel und spielte mit den Wolken.«
Der kleine Mann lächelte sarkastisch. »Anstatt Mäzen junger Künstler zu sein, sollten Sie selbst lyrische Gedichte schreiben, Herr Konsul.«
»Man wird Anklage erheben?« fragte Opperberg, ohne auf das Lächeln zu achten.
»Das wird die Voruntersuchung ergeben. Poltecky hat jedenfalls zugegeben, von drei Mädchen 14.000 Mark bekommen zu haben. Zwei Mädchen haben Strafantrag wegen Heiratsschwindel gestellt. Es bleibt uns, trotz Polteckys Hilfe beim Ausheben des Spionageringes, gar nichts anderes übrig, als die Vernehmungsprotokolle an die Staatsanwaltschaft weiterzugeben.«
»Und wenn die Mädchen aussagen, daß sie nicht geschädigt worden sind?«
»Das wäre widersinnig, wo sie erst den Antrag gestellt haben.«
»Kann ich die Namen der Mädchen erfahren?« Opperberg zog ein in Krokodilleder gebundenes Notizbuch aus der Rocktasche. Der kleine Mann mit den eisgrauen Stoppelhaaren schob die Unterlippe vor.
»Eigentlich dürfte ich das nicht«, sagte er. »Ich weiß, was Sie vorhaben, Herr Konsul. Sie fallen damit der Gerechtigkeit in den Rücken.« Er suchte in seinem Aktenberg nach einem Schriftstück, klappte es auf und legte es auf seinen Platz. »Ich darf es wirklich nicht, Herr Konsul.« Der kleine Mann erhob sich und kam um den Tisch herum. »Sie entschuldigen mich aber einen Augenblick – ich bleibe etwa fünf Minuten.«
Er blinzelte Stephan Opperberg zu und verließ das Zimmer.
Als er wieder zurückkam, saß Opperberg noch immer auf dem Stuhl, aber er hatte das Notizbuch eingesteckt. Der kleine Mann klappte die Akte wieder zu und legte sie auf den Stapel zurück.
»Ich darf es wirklich nicht, Herr Konsul. So leid es mir tut.«
»Ich habe volles Verständnis dafür. Sie haben Ihre Vorschriften. Entschuldigen Sie die Störung.« Opperberg drückte dem kleinen Mann die Hand. »Es hat mich sehr gefreut, Sie kennengelernt zu haben. Und wenn Sie einen Wunsch haben, der meinerseits erfüllbar ist – ich gehe auch einmal aus dem Zimmer.«
Von Bonn fuhr Stephan Opperberg sofort nach Fulda.
Carola Pfindt, am Ende ihrer Nervenkraft, hatte sich beurlauben lassen und empfing den unbekannten Besucher bleich und mit verhärmtem Gesicht.
Die herrlichen roten Haare hingen ihr ungepflegt in die Stirn – sie hatte nicht einmal mehr Lust, auf ihr Äußeres zu achten. Für wen? dachte sie immer. Für wen soll ich mich schön machen? Den einzigen Mann, den ich liebte, bringe ich ins Zuchthaus.
»Ich möchte mit Ihnen über Franz v. Poltecky reden«, sagte Opperberg, nachdem er Platz genommen hatte. Carola schüttelte den Kopf.
»Sind auch Sie von der Polizei?« fragte sie schwach.
»Nein. Ich bin Bankier aus Köln und wohne in Bad Honnef. Ich habe bestimmte Gründe, mich um Herrn Poltecky zu kümmern. Durch Zufall erfuhr ich, daß Sie eine der Damen sind, die sich geschädigt fühlen.«
»Bitte, hören Sie doch davon auf!« sagte Carola gequält. »Ich habe ihm Geld gegeben, ja. Aber er hat es nie gefordert. Ich habe es ihm gegeben, weil ich glaubte …« Sie drückte ihr Taschentuch vor den Mund und schwieg. Schluchzen drängte sich in der Kehle hoch.
»Aber Sie haben ihn doch angezeigt!«
»Auf der Polizei sagte man mir, es bleibe gar kein anderer Weg. Es sei Pflicht eines jeden Staatsbürgers. Und ich war so durcheinander, ich wußte gar nicht mehr, was ich tat. Ich hatte nächtelang nur geweint, ich war am Ende. Da habe ich alles unterschrieben. Ich wollte es ja gar nicht.«
Opperberg musterte Carola Pfindt. Sie war hübsch, ihre feuerroten Haare glänzten wie Kupfer in der Sonne. Ihr rundes Gesicht war etwas puppenhaft. Sie ist so ganz anders als meine Julia, dachte Opperberg. Aber er verstand Poltecky, daß er sich nicht wehrte, von diesem Mädchen geliebt zu werden. Es sah aus, als sei es eigens für die Liebe erschaffen worden.
Er griff in seine Rockinnentasche und holte ein Scheckbuch
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