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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
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irgendeinem Grund ihren Gedanken. Und seitdem ging es ihr besser. Von dem Buch allerdings wollte sie ihrem Vater lieber nichts erzählen.
    »Soll ich dich holen kommen? Du sagst mir einfach, wo ich dich finde und dann bring´ ich dich nach Hause.« Seine Stimme klang sanft und Gloria war froh, ihn angerufen zu haben. Aber eine undefinierbare Panik züngelte im gleichen Moment in ihr auf. – Panik vor der Ohnmacht, die sie wieder einholen würde. Panik vor den Leuten, die sich besorgt um sie reihen werden und Panik vor dem luxuriösen Alltag, der ihr keinen Raum ließ, sich um die Basics zu kümmern, die sich ihr hier in den Weg stellten!
    »Papa…« Glorias Nervosität stieg weiter und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. So verführerisch der Gedanke an ein warmes Bett und ein schönes Zuhause auch wirkte – sie wollte noch nicht zurück nach Weimar, zumindest nicht sofort. »Papa, hör´ mir zu… Ich kann nicht, ich…« »Gloria, weißt du eigentlich, was dir alles passieren kann? Wo schläfst du denn um Gottes Willen? Du hast doch gar kein Geld mehr auf deinem Konto!« »Papa, ich…« Sollte sie ihm etwa sagen, dass sie auf Parkbänken und am Bahnhof genächtigt hatte?
    »Ich schlafe in einem Baumhaus.« Das hörte sich nach einer dämlichen Ausrede an, dies musste selbst Gloria zugeben. »Wo?« Ihr Vater wurde ungeduldig: »Gloria, sag´ mir auf der Stelle, wo ich dich finde.« »Wenn du mich jetzt holst, dann fängt für mich alles wieder von vorne an. Mir fällt die Bude auf den Kopf. Alles erinnert mich an Mum und sämtliche Leute ersticken mich regelrecht mit ihrem Gequatsche!« Er wurde still und wusste nichts zu sagen, also sprach Gloria weiter: »Es geht mir hier gut. Aber ich hab´ Panik, wenn ich daran denke, wie alles wieder auf mich einstürzt. Papa, ich…« Sie wusste nicht, was sie noch erwidern sollte.
    »Ich will dir doch nichts Böses. Aber ich mache mir Tag und Nacht Sorgen. Wie soll ich denn wissen, dass es dir gut geht? Komm´ mit mir nach Hause!« Gloria atmete tief ein. »Ich komme wieder nach Hause – aber noch nicht sofort! Ich melde mich jeden Tag bei dir, okay?« Sie hörte seine Verzweiflung und auch eine Spur Ärgernis. »Papa, ich ersticke an den Leuten in Weimar!« Ihre Zerrissenheit schien auch für Herrn Truhst spürbar, doch verständlicherweise sorgte er sich um ihre Sicherheit. Es war mal wieder soweit; diesen Punkt kannte Gloria zu Genüge: Gleich würden sie wieder streiten. Und das, obwohl das Gespräch vorher so schön gewesen war, so neu und anders. Und es hatte gut getan, sich auszusprechen. Aber jetzt wirkten sie wieder ähnlich weit, wie vorher und Gloria wusste, dass dies nicht besser werden würde, wenn sie nach Hause käme.
    »Papa, ich will nicht streiten. Bitte!« Seine Verzweiflung war ihm anzumerken, als Gloria noch ergänzte: »Hast du eigentlich die Polizei nach mir suchen lassen?« Sie hörte ein Seufzen auf der anderen Seite. »Nachdem du dich regelmäßig gemeldet hast und klar wurde, dass du keinem Verbrechen zum Opfer gefallen bist, hat man die Suche nach dir eingestellt.« Das war gut. Dann musste sie sich zumindest darum keine Sorgen machen.
    »Ich melde mich jeden Tag mit einer SMS, okay? Ich hab´ dich lieb!« Sie drückte auf die rote Taste ihres Handys und legte auf, bevor er noch etwas sagen konnte. Erneut übermannte sie ein schlechtes Gewissen. Aber Gloria wusste ganz genau, dass sie jene Panik wieder einholen würde, für die sie hier wenig Zeit besaß: Hier kümmerte sich niemand um sie oder um ihre Sorgen. Hier wurde sie nirgends an ihre Mutter erinnert. Unweigerlich rannen ihr Tränen übers Gesicht. Kurzum schrieb sie ihrem Vater noch eine SMS. Die Handyrechnung würde er jawohl hoffentlich bezahlen, wenn sie mit der Post zu Hause eintrudelte. Taschengeld hingegen konnte sie sich abschminken; das war klar! Gloria verschickte gerade die SMS, als sie ein Geräusch hörte und sich umsah.
    Da war er: Kirt! Schnell steckte sie das Handy weg und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen fort – so ein Mist! Hoffentlich zog er nicht die falschen Schlüsse daraus. Denn es war ihr Vater, der ihr leid tat – nicht sie selbst. Immerhin hatte Gloria gerade wählen dürfen zwischen der Straße und einem schönen Zuhause. »Hast du gut geschlafen?« Kirt ging an ihr vorbei auf den Baum zu, an dem immer noch das Seil herunterhing. Schnell rieb sich Gloria noch einmal mit den Fingern in ihren Augen und fuhr sich durch die Haare.
    »Ja, klar – Baum

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