Zicke
oder? Um halbwegs deinen Anteil an der Miete bezahlen zu können?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich und blickte auf meine Uhr. »Erzählt nichts davon. Darren und Stacy wollen nicht, dass meine Eltern was davon mitbekommen.«
»Klar«, sagte Jason und nickte langsam. Ich konnte ihn nicht ansehen.
Ich stand auf. »Komm«, forderte ich Lee auf. »Deine Mutter wartet sicher schon.«
***
Später am Abend, allein in meinem Zimmer, arbeitete ich am Tagebuch. Es war die einzige Möglichkeit, meinen Kopf von Jason und Lee abzulenken, nicht mehr daran zu denken, dass ich meinen großen, dummen Mund aufgemacht und von dem Plan geredet hatte.
Das Mädchen in meiner Geschichte war immer noch auf dem Meer, jagte auf seinem Surfbrett dahin und erinnerte sich:
… wie es am Stowe Lake mit seinem Vater einen ganzen Klotz rosa Popcorn gegessen hatte: Er hatte mit den Händen Stücke davon abgebrochen; das Mädchen biss
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gern einfach rein in das ganze Teil, sodass Krümel vom Zuckerguss an seinen Lippen klebten.
Das stammte aus meiner Erinnerung, glaube ich. Ich weiß noch, wie ich an den See gegangen bin. Ich erinnere mich an rosa Popcorn. Ich weiß aber nicht, ob diese Dinge zur selben Zeit passierten oder ob mein Vater überhaupt dabei gewesen war.
… der Geruch von Eukalyptusblättern, die es zwischen den Fingern zerrieb.
Ein anderer Tag im Park; das war wirklich passiert, ich wusste es. Ich hatte immer noch ein wenig getrockneten Eukalyptus in meiner Wäscheschublade.
… spezielles Hochglanzpapier, das er mit nach Hause gebracht hatte, damit das Mädchen mit seinen Filzstiften malen konnte, bunte Striche und Kringel auf dem schimmernden Weiß.
Es wirkte wie ein kleines Bekenntnis, das überschüssige Papier von
National Paper
, das von Dads Büro zu unserem Haus und in mein Zimmer gelangt war, aus seinen Händen in meine:
Wir gehören einander.
Ich hörte Darren ins Haus kommen. Ich schloss meine Kladde. Als er an die Tür klopfte, saß ich aufrecht im Bett und las in einem Magazin; das Mädchen auf den Wellen surfte davon. »Komm rein.«
Er ließ sich zu Boden sacken, streckte sich auf dem |57| Bauch aus und machte einen dieser Feierabendseufzer, die besagen, dass man froh ist, dass der Tag endlich vorüber ist. »Hast du was zu essen hier?«
»Jaah«, sagte ich, ohne mich zu rühren. »Ich bringe dir gleich die Speisekarte. Wie war’s bei der Arbeit?«
»Ach, du weißt schon«, sagte er mit dem Mund auf dem Teppich. »Neuer Tag, alter Scheiß.«
Darren sieht meinem Dad zum Verwechseln ähnlich – der gleiche Straßenköter-blonde Haarschopf; der gleiche stämmige, muskulöse Körper; die gleiche Stimme. Manchmal die gleichen Wutausbrüche – aber wenn Darren wütend wird, dann aus gutem Grund, finde ich, zum Beispiel, wenn bei der Arbeit etwas schiefgeht oder wenn er sich mit schlechten Fahrern rumschlagen muss. Er ist ein guter Bruder. Auch ein guter Vater, bisher jedenfalls.
Ich legte mein Magazin weg. »Ich hab ’nen Job.«
»Ach ja?« Er wälzte sich auf den Rücken und rieb sich den Bauch. »Tut dir gut. Da kannst du anfangen, fürs College zu sparen.«
Ständig lag er mir damit in den Ohren, ich solle aufs College gehen. Mir schien es so weit weg, aber ich spielte mit. »Ich habe noch zwei Sommer.«
»Deanna, ich meine es ernst. Ich will nicht, dass du nach der Schule in Pacifica festsitzt und rumhängst und dir Ärger einhandelst.«
»Du klingst wie Dad.«
»Nein, tu ich nicht.«
»Doch, tust du.«
|58| »Okay. Aber hast du mich verstanden?«
»Ja«, sagte ich. »Du willst nicht, dass ich schwanger werde und dass ich nicht aufs College gehe und bei Mom und Dad im Erdgeschoss wohnen bleibe und mein ganzes Leben bei
Safeway
arbeite. Wie du und Stacy. Das sagst du mir bloß fünfzig Mal am Tag.«
Er rieb sich mit den Händen über das Gesicht. »Tut mir leid. Es ist nur so, dass es noch nicht zu spät ist für dich, weißt du. Du kannst es immer noch schaffen.«
Darren und ich haben Dinge gemeinsam, und dazu gehört, dass wir beide Mom und Dad enttäuscht haben. Er, weil er schon so früh ein Kind gezeugt hat – ganz zu schweigen davon, dass er mit sechzehn wegen Besitzes von Marihuana verhaftet wurde und dieses ganze Gerichtsverfahren durchstehen musste. Und ich, weil … nun, weil niemand die Schulschlampe zur Tochter haben will. Genau genommen bin ich überhaupt keine Schlampe, da ich außer mit Tommy nie mit jemandem was hatte, aber es ist schwierig, sich
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