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Zicke

Zicke

Titel: Zicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Zarr
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zur Verteidigung darauf zu berufen, was ein Wort genau bedeutet, wenn die Geschichte so passierte, wie sie nun mal passierte. Ich kann mich ja schlecht vor die Beschallungsanlage der Schule setzen und eine Verteidigungsrede halten.
    Darrens Handy läutete. »Hey, Süße«, sagte er ins Telefon. »Jep. Bin unterwegs.« Er stand auf. »Muss mich beeilen. Komm doch später runter und guck mit uns
Letterman

    |59| »Da muss ich erst mal in meinem Terminkalender nachsehen. Schauen wir mal …«, sagte ich und kniff die Augen zusammen. »Ja, sieht aus, als könnte ich es einrichten.«

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    |60| 3
    Am Sonntag wachte ich früh auf, nervös wegen meines ersten Arbeitstages. Ich blieb liegen und dämmerte immer wieder kurz weg – bis, ohne dass sie anklopfte, Mom hereinkam. »Ich dachte, du hättest vielleicht Lust auf Arme Ritter«, sagte sie. »Wie wär’s?«
    Ich sah sie mit verschlafenen Augen an. Sie trug ihren großen, flauschigen rosa Morgenmantel mit dem Kaffeefleck auf der Brust. »Gehst du heute nicht arbeiten?«
    »Wir wurden gefragt, ob sich nicht freiwillig einige Kollegen ein paar Tage unbezahlten Urlaub nehmen wollen.« Sie machte sich daran, mein Zimmer aufzuräumen, klaubte Wäsche vom Boden und stapelte CD-Hüllen. »Arbeite bloß nie im Einzelhandel!« Das klang komisch, wo doch in unserer Familie praktisch alle im Einzelhandel beschäftigt waren: Dad als Lagerarbeiter für den Autoersatzteile-Laden, Mom bei
Mervyns
und Darren und Stacy bei
Safeway
. Nur Dad hielt seinen Job in diesem Ersatzteilhandel immer noch für eine Übergangslösung. Davor hatte er neunzehn Jahre für
National Paper
gearbeitet, sein erster und einziger Job bis zu dem Tag, an dem sie ihn entließen.
    »Wie wär’s mit Pizzabacken?«, fragte ich.
    |61| »Was ist damit?«
    »Ich hab einen Job. Im
Picasso

    »Sauber oder schmutzig?«, fragte sie und hielt eines von meinen Sweatshirts hoch, bis sie registrierte, was ich gesagt hatte. »Einen Job? Ich wusste nicht, dass du nach einem Job gesucht hast.«
    »Schmutzig«, antwortete ich. Sie warf das Shirt in den Wäschekorb. »Du musst nicht mein Zimmer aufräumen, Mom.«
    »Wann hast du beschlossen, dir Arbeit zu suchen?«
    »Ist es nicht das, was man tut, wenn man sechzehn wird – arbeiten? Ich will mein eigenes Geld haben.« Ich setzte mich auf und sah vom Bett aus zu, wie sie sich neben meiner Anlage hinkniete und nach den CDs zu den leeren Hüllen suchte, die sie zusammengesammelt hatte. Unter der kastanienbraunen Tönung, die sie immer benutzte, waren drei bis vier Zentimeter lange, graue Haaransätze zu sehen.
    »Wär schön gewesen, wenn du mir Bescheid gesagt hättest. Vielleicht hätte ich dir bei
Mervyn
was besorgen können.«
    »Mom, könntest du bitte aufhören, in meinen Sachen rumzukramen?« Ich stand auf und nahm ihr die CD-Hüllen aus der Hand. Mein Zimmer, das am Vorabend Darren und mir ausreichend Platz geboten hatte, war für meine Mutter und mich zu klein.
    Sie betrachtete ihre leeren Hände. »Weiß dein Vater davon?«
    Ich legte eine CD in die zugehörige Hülle. »Ich wusste nicht, dass ich um Erlaubnis bitten muss.«
    |62| »Na gut.« Sie ging hinüber zum Spiegel an meiner Schranktür, schob die Brauen zusammen, nestelte an ihren Haaren herum und zog ihren Pony mit einer Klammer aus meiner Kommode nach hinten. »Die meisten in deinem Alter würden fragen, stimmt doch. Aber du und Darren …« Ihre Stimme erstarb und sie nahm die Haarklammer wieder heraus. »Ihr macht einfach immer nur das, was ihr wollt.«
    »Mom, ich dachte nur, ich besorge mir einen Job, nichts weiter. Das ist doch kein Tattoo oder ein Auto.«
    »Nein, du hast recht. Es ist nur ein Job.« Sie wandte sich um und lächelte mich gequält an. »Nun, wie wär’s mit Arme Ritter? Ich komm ja sonst nie dazu, für euch Kinder sonntagmorgens das Frühstück zu machen. Meine Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass ich sonntags arbeite und ihr alle zu Hause bleibt und Pop-Tarts esst und dass kein Einziger von uns in der Kirche ist.«
    Mom ist katholisch aufgewachsen und war auf der Katholischen Schule in Daly City – das volle Programm. Jetzt sind wir Heiden wie alle anderen, die ich kenne. Außer Lee. Lees Familie ist so richtig engagiert in der Kirche. Die gehen praktisch jede Woche hin. Nun ja, sie ist nicht so drauf wie manche dieser Kids in der Schule, so mit
Was würde Jesus tun
und all dem, wenn sie überlegen, wen sie zum Abschlussball einladen sollen, aber Lee

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