Zielstern Beteigeuze
aussagekräftige Ergebnisse ermitteln ließen.
Er sah Atacama von hinten - ein vertrauter Anblick für ihn. Er hatte sie so oft in dieser Position gesehen, daß er selbst an den leichten Bewegungen des Kopfes und der Schultern ihre Stimmung ablesen konnte.
Jetzt spürte er fast körperlich die Intensität, mit der die CE die eingegangenen Daten bearbeitete. Manchmal blieben ihre Schultern für kurze Zeit in Ruhe, aber voll Spannung, wenn sie irgendein Zwischenergebnis wertete. Dann fielen die Schultern wieder, die Arme gingen nach vorn, die Hände führten das Spiel auf den Tastaturen weiter, und Kiliman hatte den Eindruck, daß ihre Bewegungen um so gelöster wurden, je weiter die Berechnungen voranschritten. Schließlich lehnte sie sich zurück in ihrem Sessel, sie neigte den Kopf etwas, die Schultern sanken entspannt - es schien geschafft.
Aber nein - ihr Oberkörper schoß förmlich nach vorn, dann saß sie bewegungslos, eine Sekunde, zwei Sekunden. Ein winziges Zucken der rechten Schulter - die Bildschirme waren leer. Ata hatte die Ergebnisse gelöscht!
Kiliman stand auf und trat hinter sie. Sie war schon wieder bei der Arbeit, es schien, daß sie die Berechnungen wiederholte, ihre Bewegungen kamen ihm hastig und nervös vor. Der Dauerlauf der Kurven und Zahlenkolonnen, die über die Schirme marschierten, sagte ihm nichts.
Sollte Ata beim erstenmal einen Fehler gemacht haben? Undenkbar. Oder hatten die Berechnungen etwas Unglaubliches, etwas Unmögliches ergeben? Das erschien Kiliman nach den bisherigen Erlebnissen wahrscheinlicher. Und es sah der CE auch ähnlicher, wenn sie eher einen Fehler in ihren Berechnungen für möglich hielt als einen Widerspruch zu wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen.
Schließlich erschienen die Ergebnisse auf dem Schirm. Da sie Bezeichnungen und Größenangaben enthielten, waren sie auch Kiliman zugänglich. Er sah, daß die Werte des Beteigeuze mit denen übereinstimmten, die sich aus der Transittrasse folgern ließen. Dann gab es auch welche, die betrafen den schwarzen Zwerg und den Planeten, aber der CP konnte beim besten Willen nichts Aufregendes entdecken.
Trotzdem löschte Atacama die Zahlen wieder und wandte sich an Dela. „Wiederhole bitte die Berechnungen, ich übernehme so lange für dich.“
Dela fragte nichts. Sie begriff, daß irgend etwas Ungeheuerliches an diesen Resultaten sein mußte, wenn die CE ihren eigenen Berechnungen nicht traute. Aber die Neugier auf das Ergebnis mußte sie jetzt beiseite schieben, sie brauchte alle Konzentration für die Arbeit - sie wußte nicht: Hatte die CE sich einmal verrechnet oder zweimal das gleiche Ergebnis gehabt? Auf jeden Fall wollte sie, Dela, das richtige haben!
Kiliman, Zuschauer bei alldem, war verwirrt. Fragen mochte er nicht, denn er sah, daß Atacama, obwohl sie den Pilotensitz übernommen hatte, sich in Gedanken intensiv weiter mit dem beschäftigte, was sie aus den Ergebnissen herausgelesen haben mußte. Aber es gelang ihm nicht, ihr anzusehen, ob sie das freute oder ärgerte, ob es ihre Vorstellungen bestätigte oder ihnen widersprach. Und dabei glaubte er doch, sie sehr gut zu kennen...
Delawara war inzwischen fertig geworden, hatte die Hände in den Schoß gelegt und betrachtete die Ergebnisse. Nichts Sensationelles, alles bewegte sich in den Größenordnungen, die man erwartet hatte. Was also... Und dann sah sie es.
„Das ist...“, setzte sie an und verstummte wieder.
„Wie findest du das?“ fragte die CE. Ihre Stimme war ausdruckslos von mühsam unterdrückter Erregung.
„Das ist“, sagte Dela, „das ist... absurd!“
„Das richtige Wort!“ bestätigte die CE.
„Darf man erfahren...?“ fragte Kiliman, ohne den Satz zu vollenden.
Atacama fuhr herum, sah ihn an, als erblicke sie ihn jetzt erst, fuhr sich dann mit einer fast hilflosen Geste über die Haare und sagte: „O ja, ja, schau mal auf die Umlaufzeit des Planeten, fünf Komma sieben Jahre, fällt dir da nichts auf?“
Jetzt, da diese Größe hervorgehoben wurde, erinnerte sich Kiliman. „Das ist die Periode der früheren Leuchtkraftschwankungen.“ „Eben“, sagte Atacama.
Kiliman war in Dingen der Astronomie nicht unerfahren, aber er fing nur langsam an zu begreifen, wahrscheinlich, weil er irgend etwas Überwältigendes erwartet hatte.
„Das heißt also“, er tastete sich vorwärts, „es muß einen Zusammenhang zwischen beiden geben... Ist etwa der Beteigeuze ein Bedeckungsveränderlicher?“
„Unsinn!“
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