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Zielstern Beteigeuze

Zielstern Beteigeuze

Titel: Zielstern Beteigeuze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Moment, ich räume noch das lose Zeug ab!“

6
    „Also neuntausend Jahre im Zentrum“, repetierte Hirosh, was er von Kilimans mündlichem Bericht behalten hatte, „zweitausend Jahre an der Peripherie. In der Dose eine nichtssagende Mischung von Kohlenwasserstoffen, Fetten und ätherischen Ölen, die sechs- bis siebenhundert Jahre alt ist. Also kann man wohl annehmen, daß die letzten Geusen da bis zum Abflug gehaust haben. Weiter: In der Peripherie Räume für eine größere Anzahl als im Zentrum, genauer: für zahlenmäßig größere soziale Einheiten. Völlig umbaute Stadtviertel. Relativ geringe Differenzierung in der Struktur der Räume erkennbar. Anzeichen dafür, daß die Räume nicht immer leer waren. Schließlich: Hinweise auf Gestalt der Geusen nur aus Raumproportionen, Durchgängen und Treppen. Noch was?“
    „Das Bild der Galaxie“, erinnerte Kiliman.
    „Richtig, das Bild der Galaxie auf dem Boden des Kuppelsaals“, ergänzte Hirosh.
    „Das alles reißt Sie nicht vom Stuhl?“ fragte Kiliman. „Das reißt mich alles nicht vom Stuhl“, bestätigte Hirosh. „Was nicht bedeutet, daß ich mehr erwartet hätte.“
    „Außerdem habe ich einen Fehler gemacht“, sagte Kiliman, „lächerlich, ich als CP einen Fehler in der Führung von Personen!“
    Hirosh winkte ab. „Dies ist die Expedition, bei der jeder mal versagt.“
    Kiliman sah den CE forschend an. So etwas wie Müdigkeit sprach aus dessen letzten Sätzen - nicht gerade eine sehr effektive Stimmung für einen Chef.
    „Dann hätten Sie Ihr Versagen noch vor sich?“ nahm Kiliman den Gedanken auf, leicht spottend. Er wollte doch sehen, wie Hirosh darauf reagierte.
    „Machen Sie sich Sorgen“, fragte Hirosh mit gespielter Bosheit dagegen, „weil Sie es waren, der mich vorgeschlagen hat?“
    „Mal im Ernst“, sagte Kiliman, „was ist mit Ihnen los? Früher haben Sie andern die Gedanken entzündet; jetzt interessieren Sie nicht einmal mehr Neuigkeiten - sind Ihnen die Witze ausgegangen?“
    Für Kiliman unerwartet, ging Hirosh gerade auf die letzte, doch mehr bildhaft gemeinte Wendung ein. „Ja, das mit den Witzen“, sagte er und kratzte sich hinter dem rechten Ohr, „das ist für mich selbst überraschend. Mir fällt wirklich keiner mehr ein, ich meine zu einer bestimmten Situation. Ich glaube, das ist ein großer Unterschied, ob man eben als beliebiger Mitarbeiter das Geschehen betrachtet - man kann etwas sagen, man kann es aber auch bleibenlassen - oder ob man sich als Leiter ständig zu Entscheidungen aufgefordert fühlt, auch wenn man gar keine treffen muß. Ich verstehe jetzt zum erstenmal, warum Leiter so häufig keinen Humor haben. Wenn ich wenigstens wüßte, wie das kam, daß meine alten Witze immer gerade paßten.“
    „Das kann ich Ihnen sagen, darüber hab ich nachgedacht“, antwortete Kiliman.
    Hirosh war plötzlich sehr interessiert. „Da bin ich aber gespannt, lassen Sie hören!“
    „Also erst mal die Realität. Sie bestand jedesmal darin, daß wir mit Tatsachen aus der Zivilisation der Geusen zusammenstießen. Die sind aber von uns so weit entfernt wie wir von der Jäger- und Sammlerhorde unserer Urgemeinschaft - oder noch weiter. Also muß uns alles Konkrete von ihnen, das uns begegnet, absurd erscheinen, zwangsläufig. Das ist die eine Seite.
    Die andere Seite ist der Reichtum menschlichen Denkens. Es gibt ja nicht nur das wissenschaftliche Denken, das immer wieder streng an Tatsachen gebunden ist und logisch widerspruchsfrei sein soll. Es gibt Phantasie, es gibt das freie Spiel mit Möglichkeiten und sogar mit Unmöglichkeiten, im Märchen wie im Witz. Was ist denn absurd? Wenn zwei Realitäten sozusagen auf ungewöhnliche, auf verbotene Weise zusammenstoßen. Ich bin eigentlich überzeugt, daß alle Absurditäten, die uns tatsächlich zustoßen könnten, irgendwann einmal schon gedacht wurden, im Prinzip, versteht sich. Ist es da ein Wunder, wenn jemand, der lauter solche Witze drauf hat, von jeder absurden Situation an einen erinnert wird, und da der Witz trotz seiner Absurdität eine innere Denkkonsequenz und -disziplin hat, zeigt er eine Richtung, macht er auf eine Weiterführung der Gedanken aufmerksam, die letztlich dann eine Lösung bringt. Oder manchmal bringen kann. So ungefähr.“
    „Märchen und Witz“, brummte Hirosh. Er schien beeindruckt zu sein von Kilimans Entwicklungen. Er hatte auch wirklich das Gefühl, daß da etwas für ihn sehr Wesentliches in Rede gestanden hatte - er wußte nur noch

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