Ziemlich beste Freunde
ist.
Einige Frauen widerstehen seinen Annäherungsversuchen. Aber ich bin überrascht, wie viele sich rumkriegen lassen. Ich habe selbst gesehen, wie sich eine Frau seine Telefonnummer in die Handfläche schrieb – in Anwesenheit ihres Ehemannes, was Abdel nicht im Geringsten störte. Eine andere ließ sich im Beisein von Mutter und Tochter auf seine Avancen ein.
Er ist allerdings wirklich urkomisch und von einer so unschuldigen Dreistigkeit, dass er anscheinend ihren Beschützerinstinkt weckt, auch wenn er aussieht wie ein kleiner Teufel.
Eines Nachmittags habe ich eine schluchzende, brüllende Frau am Telefon. Ich beruhige sie und bitte sie dann, mir ihr Problem zu schildern. Ich traue meinen Ohren nicht. Sie hat Abdel an diesem Nachmittag erst kennengelernt. Sie hat ihn gefragt, ob er sie ins Restaurant einlädt. »Aber gern«, hat er gesagt. Was überraschend ist, denn Abdel weigert sich eigentlich, seine Eroberungen freizuhalten.
Dann hat er ganz zufällig am Friedhof Père-Lachaise gehalten und einen »Aperitif« verlangt. Die junge Frau, die über einen relativ reichen Erfahrungsschatz zu verfügen scheint, beschreibt mir in allen Einzelheiten die Übung, zu der sie sich herbeilassen musste, um unser armes Kerlchen zu erlösen. Kaum ist sein dringendes Bedürfnis befriedigt, bittet er sie, etwas aus dem Kofferraum zu holen, fährt mit quietschenden Reifen davon und lässt sie stehen. Ich verspreche der Exflamme, Abdel in ihrem Namen den Kopf zu waschen.
Abdel kommt nach Hause. Ich schildere ihm vorwurfsvoll, was mir die Frau erzählt hat. Es dauert zehn Minuten, bis er sich von seinem Lachanfall erholt hat und zusammenfassend feststellen kann, dass er ein Essen und einen Aperitif gespart hat. Er erzählt mir noch mehr solcher Geschichten, bis ich ihn angewidert unterbreche.
Es gibt nur eine, die ihn einschüchtert, meine kleine Laetitia. Ich muss sie persönlich in ihrem Zimmer anrufen, damit sich Abdel nicht gezwungen sieht, an ihre Tür zu klopfen. Noch nie, sagt er mir, hat ihn ein Mädchen so behandelt. Das kann ihm nicht schaden.
Was sein Verhältnis zu Männern betrifft, so beschränkt es sich auf das Recht des Stärkeren.
Er ist der Ansicht, dass man in dieser verkommenen Welt der Fieseste sein muss.
Eines Nachmittags parkt Abdel sein Auto in der Nähe unseres Hauses, vor der Einfahrt der Nachbarn. Er geht zum Haus zurück, um abzuschließen. Ich bin im Wagen, Laetitia sitzt auf dem Beifahrersitz. Ein Auto mit Diplomatenkennzeichen fährt vor: der Nachbar. Er fängt laut an zu hupen. Doch damit erreicht er in keiner Weise, dass Abdel sich beeilt. Im Gegenteil, er schaut sogar noch einmal nach, ob ich auch richtig angeschnallt bin. Der Nachbar ist schon ganz rot im Gesicht und nimmt die Hand gar nicht mehr von der Hupe. Abdel geht langsam auf die Autotür zu. Da reißt dem Nachbarn der Geduldsfaden, er springt aus seinem schicken Volvo und wirft Abdel eine Beleidigung an den Kopf. Er ist Amerikaner, einen Kopf größer als unser Held und mindestens dreißig Kilo schwerer. Abdel packt ihn am Kragen: »Na, was hast du für ein Problem?« Der andere empört sich in gebrochenem Französisch über Abdels Ignoranz und Unhöflichkeit. Erste Kopfnuss. Der Amerikaner blutet aus dem Mund. Er ist fuchsteufelswild. Er verlangt, Abdels Arbeitgeber zu sprechen. Abdel, ein wenig blasser als sonst, zeigt auf mich hinten im Wagen und setzt noch zwei saftige Ohrfeigen drauf. Ich versinke in meinem Rollstuhl. Laetitia legt sich flach auf die Rückbank, so sehr schämt sie sich. Der Amerikaner zieht sich verlegen in sein Auto zurück und entschuldigt sich. Er fährt zur Seite, damit wir vorbeikommen. Abdel lacht geschlagene fünf Minuten, die kleine Auseinandersetzung hat ihm gutgetan. Ich glaube, er fühlt sich nur wohl, wenn er sein Tageskontingent an Schlägen ausgeteilt hat.
Dass ich ihm eine Standpauke halte, überrascht ihn. In der Regel schläft er nach fünf Minuten ein, wenn ich in den Studienvorbereitungskursen meine »Einführung in die betriebswirtschaftliche Ethik« gebe. Und wenn ich in Gymnasien oder Kirchen über die Hoffnung referiere, schnarcht er laut im Stehen.
Er ist so kurz wie möglich zur Schule gegangen, gerade lang genug, um ein paar Lehrer zusammenzuschlagen und bei der Gruppenvergewaltigung eines anderen dabei zu sein, an der er sich, so versichert er mir, aber nicht beteiligt hat.
Er ist in einer Hochhaussiedlung bei Paris aufgewachsen, wo das Leben darin bestand, stehlen und dealen
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